Bielefeld. Neun Vikarinnen und Vikare – sechs Frauen und drei Männer – nehmen im Herbst ihren Dienst in westfälischen Kirchengemeinden auf. Sie hatten erst kürzlich erfolgreich ihre theologischen Examina abgelegt. In einem feierlichen Gottesdienst in der Bielefelder Süsterkirche wurden die neuen Vikarinnen und Vikare von der leitenden Geistlichen der Evangelischen Kirche von Westfalen, Präses Annette Kurschus, in ihren Vorbereitungsdienst berufen.
In ihrem Vikariat, das in der Regel zweieinhalb Jahre lang dauert, können die jungen Theologinnen und Theologen unter Anleitung ihrer Mentorinnen und Mentoren in den Kirchengemeinden predigen, taufen, Seelsorge üben, unterrichten, Abendmahlsfeiern leiten und andere Amtshandlungen vornehmen. Einsatzort der neuen Vikarinnen und Vikare sind Gemeinden im gesamten Gebiet der westfälischen Landeskirche, von Porta Westfalica bis Gladbeck und von Lotte bis Herten.
In ihrer Predigt ermutigte Präses Annette Kurschus die jungen Theologinnen und Theologen, in ihren künftigen Gemeinden all ihre Sinne zu öffnen, um auch vermeintlich Kleines und scheinbar Unbedeutendes wahrzunehmen und sich überraschen zu lassen. Mit einer solchen Offenheit könnten sie ihren Gemeinden zu einer zuweilen verblüffend anderen Sicht auf Vertrautes verhelfen, sagte die Präses. „Einfach, indem Sie da sind und hinhören und hinsehen und hinfühlen und sich einlassen auf das, was ist – und auf die, die da sind.“
Annette Kurschus nahm Bezug auf das Gleichnis von den ‚Vögeln unter dem Himmel‘ und den ‚Lilien auf dem Felde‘, in dem Jesus dazu auffordert, sich nicht um Leib und Leben zu sorgen. Vielmehr sorge Gott dafür, dass auch die Vögel Nahrung finden und die Lilien prächtig gekleidet seien, erst recht trage er Sorge für das Leben der Menschen. (Matthäus 6, 25-34). So gelte bei aller notwendigen eigenen Anstrengung: „Das Wichtigste in unserem Leben ist unserem Machen entzogen. Es bleibt Gabe und Geschenk“, sagte die Präses.
Diese Zuversicht auf Gottes Fürsorge, so Kurschus, beflügele und mache stark. Sie beflügele auch dazu, „für andere und anderes zu sorgen. Sich einzusetzen. Widerstand zu leisten. Manchem vermeintlichen Trend nicht zu folgen. Ungewöhnliches zu probieren. Das alles wird Ihre Aufgabe sein als Pfarrerin und Pfarrer“, sagte die Präses mit Blick auf die angehenden Vikarinnen und Vikare.
Wenn in der heutigen Zeit, in der sich Krisen gegenseitig überlagerten und die Gesellschaft geradezu von Sorgen zerfressen sei, diese Sorgen das Heft in die Hand nähmen, habe die Dankbarkeit keine Chance mehr, mahnte Kurschus. Dankbarkeit und kritisches Problembewusstsein seien indes am stärksten, wenn sie zusammengehörten und Hand in Hand gingen, so die Präses. Ihre Warnung: „Wenn wir so reden oder uns so benehmen, als seien sie unvereinbare Gegensätze, die sich gegenseitig ausschließen und blockieren, wird alles schief.“
Vielmehr bestärkte Annette Kurschus die angehenden Vikarinnen und Vikare darin, ihre neue Aufgabe mit Dankbarkeit, Offenheit und gleichzeitigem Problembewusstsein anzugehen – im Vertrauen auf die biblische Zusage. „In Jesu Gleichnis von den Vögeln unter dem Himmel und von den Lilien auf dem Felde liegt genau darin die Pointe: in diesem wunderbaren Verschieben aller Maßstäbe“, bekräftigte die Präses.
Die neuen Vikarinnen und Vikare treten im Oktober ihre Stellen im Vorbereitungsdienst an. Zum Zeichen, dass sie in ihren künftigen Gemeinden herzlich willkommen sind, waren auch von dort zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter zur Einführung nach Bielefeld gekommen.
Wir gratulieren A. Michaelis aus unserem Kirchenkreis und wünschen Gottes reichen Segen!