Wussten Sie, dass im Ahrtal noch nicht „alles wieder gut“ ist? Natürlich wissen Sie das, wir haben es ja oft genug geschrieben und Sie haben es gelesen und können es einordnen. Sie haben sich aus dem, was wir, wie viele andere auch, seit dem Sommer 2021 aus dem Ahrtal berichten, ein Bild gemacht, vielleicht sind Sie auch selbst an der Ahr gewesen und haben sich einen Eindruck verschafft.
„Nicht alles wieder gut“, das ist sehr allgemein formuliert und bedarf der Erläuterung: Wäre Alles wieder gut, dann wäre ein Wunder geschehen, denn wer die Katastrophe erlebt oder ihre Folgen gesehen hat, der konnte von Juli 2021 bis heute zu keiner Zeit den Eindruck haben, dass all diese Schäden in überschaubarer Zeit umfassend zu reparieren seien. Oh ja, es ist mit unglaublichem Willen ganz viel wieder aufgebaut und schön gemacht worden. Eine Riesenleistung der Menschen dort und ihrer helfenden Hände von überall.
Die Eingangsfrage war rhetorisch, Sie wissen, wir wissen, dass es ein „Alles ist wieder gut“ nicht geben kann und auch gar nicht geben muss, weil darin eine unglaubliche Überforderung steckt, der kaum jemand gerecht werden kann. Das Ziel ist nicht, alles wieder gut zu machen, sondern das, was jetzt gerade ist besser, passender und menschlicher zu gestalten. Schon die Tatsache, dass wir immer und immer wieder hinfahren und versuchen, die Menschen zu unterstützen, zeigt, dass noch viel Arbeit zu tun ist, viele Hände und Herzen gebraucht werden.
Wir genießen mit den Freunden dort, dass wir z.B. einkehren können zum Essen und Trinken, es wieder gemütliche Orte der Gastlichkeit gibt, ein Stück vom alten Flair zurück ist. Und während wir da zusammensitzen, werden die Geschichten erzählt, weil das Erzählen manchmal, nicht immer, eine Entlastung bringt, weil die Flutbilder dann und wann raus müssen, und es zuweilen leichter ist, Fremden davon zu erzählen als denen, die es mit einem erlebt haben.
Wie etwa den Jungs von der Evangelischen Männerarbeit in Westfalen, die mit mir am 3.11.2023 einen schnellen Tal-Trip mit vielen Boxenstopps absolviert haben. Die erstmals selbst gesehen und gehört haben, was für sie bislang nur Bericht war. Flutausstellung, Rech, das Tal, Ahrweiler und die ZuvAhrsicht. Menschen, Geschichten, Menschengeschichten. Sie haben an einem Tag erlebt, wie weit die Dinge voran sind – und wie weit entfernt von einem „Alles wieder gut“, wenn das denn überhaupt ein Ziel sein kann.
In wessen Leben, ganz ehrlich, ist alles gut? Gelegentlich ja, aber andauernd? Nein, hinter der Frage „Alles gut?“ kann man sich auch verstecken, um sich nicht erschrecken zu müssen, wenn man hinschauen würde, tiefer, genauer. Es ist eine Herausforderung, HörZeit zu geben, auf die Geschichten und auf ihre Tiefen zu hören. Dann, wenn man in die Menschen schaut, wird das Offene, das Wunde, das Müde deutlich – und dann ist man eigentlich erst da, wo das Helfen beginnt und es den langen Atem braucht, der jetzt zwei Jahre und vier Monate ein und aus geht.
Man lernt etwas auf dieser Strecke. Über sich selbst, über die Menschen dort vor Ort, und auch über unsere Gesellschaft, die an einer erschreckenden Katastrophenvergesslichkeit leidet und diese oft versteckt hinter der „Alles-wieder-gut-Frage“. Oder die das Nichthinschauen zu begründen versucht mit den weiteren Katastrophen danach. Klar ist, man kann nicht überall helfen – aber an einer Stelle schon. Und wenn man es tut, sollte man dranbleiben, sofern es die eigenen Möglichkeiten hergeben. Verwerflich ist nicht, dass man nicht mehr kann, sondern es nicht versucht (hat).
Nun die entscheidende Frage: Was löst es bei dir aus, wenn du hörst, dass die Menschen im Ahrtal noch so viel Hilfe gebrauchen können? Bist du bereit etwas beizutragen?
Du könntest diesen Post teilen, uns oder andere, die sich dort auskennen, fragen was zu tun ist, du kannst ins Ahrtal fahren, Geld sammeln oder Gutscheine, Veranstaltungen planen, bei denen gesammelt wird. Du könntest so helfen, wie es zu dir passt. Es liegt bei dir. Vielleicht übergibst du dann auch demnächst eine Spende, z.B. an Die „ZuvAhrsicht“ in Ahrweiler, wo Menschen für Menschen da sind, wo Lachen und Weinen nah beieinander liegen und es die Umarmung gibt, die ein Mensch in den dunklen Momenten braucht.
Es ist nicht alles gut, aber es ist gut alles dafür zu tun, dass es besser wird.