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“Ein Weiter so darf es nicht geben” – Superintendent Holger Erdmann zur Veröffentlichung der Aufarbeitungsstudie ForuM

Superintendent Holger Erdmann fühlt angesichts der bestürzenden Zahlen, hinter denen betroffene Menschen stehen, Scham, aber auch Wut, weil Vertrauen ausgenutzt wurde. Foto: Nicole Schulte

Münster. „Es ist gut, dass in der Vorstellung der Studie heute Mittag die Betroffenen im Mittelpunkt standen. Das ist der richtige Fokus, der einzig richtige!
Zu oft ging und geht es um die Institution Kirche und deren Schutz. Das ist unerträglich und führt erlittenes Unrecht und Verletzungen weiter.

Eines ist uns heute besonders von den Betroffenen ins Stammbuch geschrieben worden:
Ein Weiter so darf es nicht geben, sondern es braucht einen genauen Blick auf unsere Strukturen – in allen Landeskirchen, auf allen Ebenen und in allen Handlungsfeldern.
Wir müssen sprach- und handlungsfähig werden und da haben wir viel zu lernen und auch nachzuholen. Und lernen können wir nur, wenn wir zuhören.

Der Bericht von Katharina Kracht, einer Vertreterin der Betroffenen, die an der Studie mitwirkte, hat mich tief beeindruckt. Mein vordringliches Gefühl ist Scham, aber auch Wut, weil Vertrauen ausgenutzt wurde.

Es ist einmal mehr deutlich geworden, dass hinter den Zahlen betroffene Menschen stehen, an denen wir als Kirche schuldig geworden sind und denen wir oft genug bis heute etwas schuldig bleiben.

Es ist gut, dass die kommissarische Ratsvorsitzende Bischöfin Fehrs heute in aller Deutlichkeit und unumwunden das Versagen von Kirche und Diakonie benannt hat und bekannt hat, dass wir täterschützende Strukturen haben, die es zu analysieren und zu beseitigen gilt.

Im Evangelischen Kirchenkreis Münster hat die Prävention einen sehr hohen Stellenwert. Deshalb schulen und sensibilisieren wir haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende, deshalb arbeiten wir intensiv an der Erstellung der Schutzkonzepte und deshalb begrüßen wir auch die landeskirchliche Gesetzgebung, die uns in der Prävention und Intervention hilft.

Hintergrund Aufarbeitungsstudie ForuM

Die Aufarbeitungsstudie ForuM geht zurück auf einen Beschluss der Synode der EKD aus dem Jahr 2018. Ende 2020 hat der unabhängige Forschungsverbund ForuM seine Arbeit aufgenommen, die Veröffentlichung der Ergebnisse fand am 25. Januar 2024 statt. Die EKD und alle 20 deutschen Landeskirchen haben sich an der Studie beteiligt und tragen die Kosten in Höhe von 3,6 Millionen Euro.

Die Studie ist vergleichbar mit der MHG-Studie auf katholischer Seite, aber breiter angelegt, weil sie nicht nur Priester, sondern alle kirchlichen Mitarbeitenden, beruflich wie ehrenamtlich, in den Blick nimmt und auch nicht nur auf betroffene Kinder und Jugendliche begrenzt ist. Die ForuM-Studie klärt allgemeine Fragen zur sexualisierten Gewalt in der evangelischen Kirche (z. B. Ermöglichungsstrukturen, Aufarbeitung) und bildet eine neue systematische Grundlage für die institutionelle Aufarbeitung. Sie soll helfen, Zusammenhänge besser zu verstehen und Risiken zu minimieren.

Die Ergebnisse der Aufarbeitungsstudie werden in einem ersten Schritt auf allen Ebenen der evangelischen Kirche intensiv und breit diskutiert. Die zentrale Rolle in dem ganzen Prozess spielt das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD. Darin werden kirchliche Beauftragte und Betroffenenvertreter:innen die Ergebnisse zusammen und mit den Forschenden diskutieren und Konsequenzen und Empfehlungen für das kirchliche Handeln ableiten.

Die Kirche wird sich das ganze Jahr 2024 in unterschiedlichsten Gremien mit den Ergebnissen beschäftigen. Dies geschieht regional in den Landeskirchen und ihren Synoden, aber auch zentral bei der EKD – koordiniert durch das Beteiligungsforum. Im November 2024 wird dann das Beteiligungsforum der Synode der EKD konkrete Vorschläge für Maßnahmen vorlegen.

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier: