Münster. Unsere Pläne und Wünsche verlaufen nicht immer wie gewollt. Die Umstände passen nicht, wir stehen uns selbst im Weg oder ein Herzenswunsch bleibt versagt. Für Superintendent Holger Erdmann ist gewiss: In allem auf und ab der Welt sind wir in Gottes Hand geborgen. In seiner Silvesterpredigt ermutigt er die Christ*innen, darauf zu vertrauen, an Gott abzugeben, was belastet und mit neuer Kraft das Leben zu gestalten.
„ein jegliches hat seine Zeit und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“, in seiner Predigt am Altjahresabend 2023 in der Apostelkirche verband Superintendent Holger Erdmann diese Worte aus dem Alten Testament (Koh 3,1-15) mit Hermann Hesses Stufengedicht. Hesse beschreibt darin das Leben als einen fortwährenden Prozess, der verschiedene Lebensstadien umfasst, die zeitlich begrenzt sind. Nicht traurig solle sich der Mensch von diesen einzelnen Stufen verabschieden, sondern tapfer und heiter, weil nun ein neuer Abschnitt blühe: „jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“.
So nüchtern, unaufgeregt und klar, wie der alttestamentliche Text geschrieben sei, habe dieser ihn sogleich gepackt, stellte der evangelische Theologe zu Beginn seiner Silvesterpredigt fest. Die Zeit verginge Pendelschlag um Pendelschlag, fuhr Superintendent Erdmann fort. Der Mensch sei währenddessen in der ihm zugemessenen Lebensspanne hineingenommen in die Zusammenhänge der Welt, mit ihren dazugehörigen Gesetzmäßigkeiten. Dies sei das „Pendel des Alltags, das uns vor Augen gestellt wird und das uns in jedem Schwingen sagt: du gehörst dazu.“
Einiges sei der menschlichen Beeinflussbarkeit entzogen. An der Schwelle zum neuen Jahr werde der Mensch sich seiner Vergänglichkeit besonders bewusst, und so mancher ordne die ganz persönliche Geschichte und die des Jahres 2023 in diesen Horizont ein: „da wird es bei den Einen die Erfahrung des Alterns geben, die Perspektive der Vergänglichkeit und des Sterbens. Und bei anderen, die heute Abend hier sitzen, ist es das Bauen, das Lieben, das neu Gestalten.“
Die Krisen dieser Zeit benannte der leitende Theologe des Evangelischen Kirchenkreises Münster bewusst ganz realistisch. „Leid hat seine Zeit und Glück hat seine Zeit. So haben wir es gesehen in Bildern. So haben wir es gehört und so haben wir auch dran gelitten mit den Menschen in der Ukraine, in Israel und überall auf der Welt, wo die Waffen nicht schweigen und die Zeit des Friedens noch nicht gekommen ist.“ Das Leben sei nicht immer nur leicht „Das war es 2023 nicht, das wird es 2024 nicht und das war es von Beginn an nicht.“
In Bezugnahme auf Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ gibt es in all der Verschiedenheit des weltpolitischen und ganz persönlichen Erlebens eine Konstante: die Veränderung und zugleich die Beständigkeit in Gottes unbedingtem Heilswillen.
„Das ist doch der Trost, den wir haben dürfen. Dass unser Leben mit seinem Rhythmus, der manchmal gut und manchmal auch armselig ist, dass unser Leben auch mit seinen Rhythmusstörungen, denen wir ausgeliefert sind und die wir bisweilen auch verursachen, dass unser Leben bei diesem Gott eine Zukunft hat. Dass unsere vergehende Zeit, dass die Pendelschläge, die uns näher an die Schwelle bringen, dass sie uns zu ihm bringen.“
Pessimistisch oder nur aufs eigene Ende hindeutend, liest Superintendent Erdmann den weisheitlichen Text des Predigers Salomo nicht. Vielmehr lehre der Blick vom eigenen Ende her den Blick auf Gott: „Gott selbst hat sich in unsere Welt und in unsere persönliche Zeit hineingewoben.“ Der Wochenspruch aus Psalm 31 verstärke die Spur auf Gott hin. Er bilde gleichsam die Rückseite dessen, was uns der Prediger lehre: „Meine Zeit steht in deinen Händen.“
Weil wir von Gott gehalten sind, „kann ich die Pendelschläge dessen, was gewesen ist getrost beiseitelegen und dieses Jahr meinem Gott zurück in seine Hände legen und dann kann ich auch die neue Zeit aus seinen Händen nehmen.“ Mit einem Hinweis auf Dietrich Bonhoeffers bekanntestes Lied beendete Superintendent Erdmann seine Predigt und das Jahr 2023. Mit einem getrosten, realistischen und dadurch gleichsam zuversichtlichen Blick ins neue Jahr: „Die unbekannten Dinge, ich muss sie nicht fürchten, sondern darf sie aus Gottes guter und geliebter Hand nehmen. Und getrost abwarten, was kommen mag. Denn er ist mit mir, am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag!“.