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Die Zeiten, in denen die Kirche Antworten vorgeben konnte, sind definitiv vorbei

Choristen aus Lüdinghausen und Senden singen gemeinsam unter der Leitung von Petra König-Gurian. Foto: Hermann Haar

Senden. „Ja, ist denn schon Weihnachten?“, fragten sich einige verdutzt, als sie am Sonntag, dem 29.10.2023, den Kirchraum der Friedenskirche in Senden betraten. Volle Bestuhlung und alle Räume offen, um vielen Menschen Platz zu bieten. Der Anlass für so ein volles Haus war aber ein anderer.

Alle evangelischen Kirchen berufen sich in ihrem Ursprung auf das Reformationsgeschehen um Luther und die anderen Reformatoren. So lag es nahe, den Reformationsgottesdienst – diesmal auf diesen Sonntag vorgezogen – einmal mit allen vier Gemeinden des Südkreises in Olfen, Ascheberg-Drensteinfurt, Lüdinghausen und Senden gemeinsam zu feiern. Das war eine gute Gelegenheit, die gemeinsamen Ursprünge, aber auch die heutigen Gemeinsamkeiten ins Auge zu fassen.

Dass es ein westfälischer Gottesdienst war, erkannte man gleich am Anfang daran, dass die Posaunengruppe „Cucumber braas“ aus Lüdinghausen in Vertretung der Orgel den Gottesdienst einleitete. Der aus Sängerinnen und Sängern aus Olfen, Seppenrade, Lüdinghausen und Senden bestehende Gemeindechor begleitete ebenfalls diesen Sonntag.

Zu diesem besonderen Anlass war Superintendent Holger Erdmann aus Münster nach Senden gekommen, um den Gottesdienst mitzugestalten. In der Predigt schlug Superintendent Holger Erdmann einen weiten Bogen von den Grundlagen der Reformation zu den heutigen Fragen der Menschen. Er griff dabei die Seligpreisungen der Bergpredigt auf. Zukunftsweisend war dabei im Schlussteil, dass Erdmann deutlich herausstellte, dass die Fragen der Reformationszeit die Menschen unserer Tage nicht mehr zentral umtreiben. Er sieht Kirche und Laien dagegen in einem gemeinsamen Ringen um die Antworten. Die Zeiten, in denen die Kirche Antworten vorgeben konnte, sind definitiv vorbei.

Er machte das deutlich an der Frage, ob in der Ukraine oder in Israel und Gaza der Einsatz von Waffen auch zu rechtfertigen sei. Steht das Recht der Selbstverteidigung und das Recht, Gewalt mit Gewalt bekämpfen zu müssen, vielleicht eine gewisse Zeit über dem Gebot zum friedvollen Umgang? Man machte es sich also an diesem Morgen nicht leicht.

Da war das letzte Lied des Chores „Da liegt ein Sehnen in uns“ und das gemeinsame Schlusslied der gesamten Gemeinde „Verleih uns Frieden gnädiglich“ ganz auf der Linie dieses nachdenklichen Gottesdienstes.

Die Zusammensetzung des Chores zeigt deutlich die Verbundenheit der Gemeinden aus dem Südkreis. Hier proben und singen Choristen aus Lüdinghausen und Senden jede Woche an wechselnden Standorten gemeinsam unter der Leitung von Petra König-Gurian. Hinter vorgehaltener Hand war dieser Satz zu hören: „Sie hat was von Whoopi Goldberg aus sister act.“ Dieser Auftritt war eine gelungene Einladung an alle, die gerne singen, sich dieser Gruppe anzuschließen. Die Freude war jedenfalls ansteckend. Text: Anette Dörstel/Herman Haar