Mettingen/Kirchenkreis Tecklenburg. Es war ein schreckliches Bild, dass sich den Einsatzkräften am frühen Abend des letzten Septembertages auf der Recker Straße in Mettingen bot: Kaputte Autos und Fahrräder, verletzte, verstörte und schreiende Menschen und auch ein Todesopfer machten viele Rettungskräfte aus verschiedenen Bereichen erforderlich. Zum Glück handelte es sich bei diesem Szenario nur um eine Großübung verschiedener Rettungskräfte, aber die war im Münsterland aufgrund ihrer Vielfältigkeit und Größenordnung bisher einmalig…
Noch einmal zurück zum Szenario: „Ein PKW ist in eine Radfahrergruppe gerast, es gibt Tote und Verletzte (Jugendliche und Erwachsene). Auf den ersten PKW ist ein weiterer aufgefahren, die Fahrerin ist eingeklemmt und muss von der Feuerwehr herausgeschnitten werden. Unter dem ersten PKW ist ein Toter (Puppe) eingeklemmt und muss geborgen werden“, beschreibt Presse-sprecherin und Einsatzleiterin Susanne Wagener, Mitglied im Leitungsteam der Notfallseelsorge des Kreises Steinfurt, den Aufbau der Übung.
Über die Leitstelle angefordert, trifft zunächst die Freiwillige Feuerwehr Mettingen am Unfallort ein; die Absperrung ist in diesem Fall bereits weitgehend vorhanden, da die Recker Straße derzeit ohnehin aufgrund von Bauarbeiten gesperrt ist. Vor Ort stellt sich heraus: Einige Mitglieder der Feuerwehr sind persönlich involviert, da sie mehrere Unfallopfer kennen – in einer kleinen Gemeinde wie Mettingen durchaus wahrscheinlich. Also wird das PSU-Team der Feuerwehr des Kreises Steinfurt alarmiert. Dieses ist für die Psychosoziale Unterstützung der Einsatzkräfte zuständig und kümmert sich darum, „die Einsatzkräfte schnell wieder einsatzbereit zu machen, seelische und körperliche Reaktionen zu erklären und gleichzeitig zu minimieren und damit längerfristigen Belastungsreaktionen vorzubeugen.“
26 Fachkräfte – speziell ausgebildete Feuerwehrleute, dazu zwei Fachberater Seelsorge – gehören derzeit der PSU an; ihr Leiter, der evangelische Pfarrer Jörg Zweihoff aus Ibbenbüren, war bei der Übung zusammen mit einem Team schnell vor Ort in Mettingen. Auch für weitere, unverletzt gebliebene Personen wurde betreuende Hilfe gebraucht, daher gab es zusätzlich eine Alarmierung der Notfallseelsorge (NFS) des Kreises Steinfurt.
Unter Realbedingungen – die Haupt- und Ehrenamtlichen trafen erst nach und nach am Unfallort ein – wurde der Einsatz geprobt, allerdings mit einer entscheidenden Änderung: „Normalerweise ist, wenn die Notfallseelsorge kommt, alles schon gelaufen“, beschreibt Susanne Wagener den entscheidenden Faktor der Übung. In diesem Fall konnten die knapp 20 Notfallseelsorger aber auch in der „Übungskünstlichkeit“ des RUND-Teams (Realistische Unfall- und Nofalldarstellung) der DLRG beobachten, wie die Arbeit der Feuerwehr bei einem Rettungseinsatz vonstattengeht. Letztere nutzte die Möglichkeit, die jüngeren Kollegen im Umgang mit Rettungsschere und Spreizer anzuleiten und dabei eines der „verunglückten“ Fahrzeuge komplett zu zerlegen.
Währenddessen überbrachten Polizei und Notfallseelsorge die „Todesnachricht“ eines der Unfallbeteiligten; andere Notfallseelsorger übernahmen die Betreuung weiterer Zivilpersonen.
Rund 60 Notfallseelsorger gibt es im Kreis; bei einer derartigen „Großschadenslage“ werden von der Leitstelle stets alle alarmiert. Etwa 10 bis 15 der ökumenisch zusammenarbeitenden Haupt- und Ehrenamtlichen kommen dann im Regelfall – das reiche normalerweise aus, erzählt Susanne Wagener, selbst für die evangelische Kirche im Einsatz. Regelmäßig wird jedes Jahr eine Übung zusammen mit anderen Rettungs- und Hilfsdiensten gemacht (im letzten Jahr beispielsweise mit dem DRK), aber in dieser Konstellation und Größenordnung ist die Aktion bisher einmalig im Münsterland und soll im Kreis Steinfurt in absehbarer Zeit auch nicht wiederholt werden.
Erstmals wurde auch das Zusammenspiel zwischen NFS und PSU geübt, dazu gab es sozusagen einen „Funktionstest“ für die Strukturen in großen Einsatzlagen wie Alarmierung, Rückmeldung und Anfahrt der Notfallseelsorgenden, die Bildung von Einsatzabschnitten, Kommunikation untereinander und wie gut die Einsatzleiter den Überblick über die Gesamtlage behalten. Auch für die Notfallseelsorger bedeutet ein Ernstfall natürlich eine psychische Belastung, aber: „Wir kümmern uns gegenseitig um uns“, erklärt Susanne Wagener. Es gebe den Austausch im Team und die Aufarbeitung mit einer Supervisorin; „wir kriegen immer Hilfe.“ Wichtig für die Arbeit als NotfallseelsorgerIn sei, „Ruhe vermitteln und den Überblick bewahren“, ein gutes Auge dafür zu haben, was das Gegenüber benötigt. „Das ist doch sehr individuell, wie die Leute damit umgehen“, berichtet die NFS-Leiterin aus ihrer Praxis.
Insgesamt zeigte sich Susanne Wagener sehr zufrieden mit dem Ablauf der Großübung; erwartungsgemäß habe das Eintreffen mancher Einsatzkräfte zwar etwas gedauert, aber am Ende waren mehr als 60 Helfer aus den verschiedensten Bereichen vor Ort, die den Abend dann – nach erfolgten Aufräumarbeiten – mit einem verdienten geselligen Beisammensein bei Bratwurst und kühlen Getränken am Feuerwehrhaus in Mettingen ausklingen ließen. Denn auch das ist ein wichtiges Ziel derartiger Übungen: Die Mitglieder der verschiedenen Gruppen sollen sich untereinander (aber auch die Arbeitsbereiche der anderen Organisationen) kennenlernen, um im Ernstfall besser zusammenzuarbeiten. Text: Claudia Ludewig.