Olfen. Diese Frage zog ca. 40 Menschen aus Olfen und Umgebung am Nachmittag des 17.11. zu einem Konzert von „mendels töchter“ in die Christuskirche. Sie wurden nicht enttäuscht. Die vier Frauen des Münsteraner Ensemble „mendels töchter“ spielten und sangen in wechselnden Besetzungen sehr virtuos synagogale Melodien in eigener Bearbeitung – ein Vortrag mit äußerst spielerischem Können und auf höchstem musikalischem Niveau.
Im Rahmen der Kulturkirche 2024 präsentierte der Heimatverein Olfen e.V. in Zusammenarbeit mit der evangelischen Christuskirchengemeinde das Münsteraner Ensemble „mendels töchter“ mit Melodien des jüdischen Kantors Erich Mendel und eigenen Kompositionen synagogaler Musik. „mendels töchter“ brachten das musikalische Erbe des deutsch-amerikanischen Kantors zum Klingen. Mendel hatte auf seinen Notenblättern lediglich die Melodiestimme zu den Gebetstexten notiert, die Stücke jedoch nicht ausharmonisiert und instrumentalisiert. Die Interpretation und Bearbeitung der Melodien von „mendels töchter“ zeigen einerseits einen klaren Bezug zur Tradition und zeichnen sich andererseits durch Frische und hohe Musikalität aus.
„Sehr spirituelle Musik, ich bin vollkommen zur Ruhe gekommen“, so beschrieb eine Konzertbesucherin ihr Erlebnis der Veranstaltung. „Sehr interessant, es klang einerseits nach jüdischer Musik, aber man hört die Verwandtschaft mit unserer christlichen Musik“, war das Resümee eines Besuchers.
Dr. Manfred Keller führte durch das Programm und erläuterte die einzelnen liturgischen Gesänge. Neben Liedern, die im jüdischen Gottesdienst ihren Platz haben, wie „Ein Kelohenu – Keiner ist wie Gott“, das als Hymnus zum Abschluss des Gottesdienstes am Samstagmorgen in der Synagoge gesungen wird, oder „Ahavas olam – Ewige Liebe“, Bestandteil des täglichen Morgengebets, wurden auch freie Kompositionen gespielt und gesungen.
Als Biograph Erich Mendels konnte Manfred Keller sehr eindrucksvoll aus dem Leben und Wirken Mendels als Kantor, Komponist, Lehrer und Sammler synagogaler Musik berichten: Der jüdische Kantor Erich Mendel wirkte von 1922 bis zu seiner erzwungenen Emigration an der Synagoge Bochum. Früh hatte er begonnen, synagogale Musik zu sammeln und zu komponieren. Im November 1938 wurde er ins KZ Oranienburg-Sachsenhausen deportiert. Von dort entlassen, gelang es ihm, über einen Zwischenaufenthalt in England 1941 in die USA zu fliehen. Er wirkte in Philadelphia/Pennsylvania unter dem Namen Eric Mandell als Chordirektor der Har-Zion-Synagoge und Dozent für Synagogale Musik am dortigen Gratz-College.
Manfred Keller zeigte sich sehr glücklich darüber, dass jüdische synagogale Musik nicht zuletzt dank Erich Mendel wieder in Deutschland erklingt, nachdem das synagogale Musikerbe zweimal komplett zum Erliegen gekommen war – das erste Mal in Jerusalem nach der Zerstörung des Tempels und seiner Musik im Jahr 70 n.Chr. und zum zweiten Mal in Deutschland 1939 durch die Zerstörung der Synagogen in der Reichspogromnacht.
Die Besucher waren sich am Schluss der Veranstaltung einig: Wer das Konzert nicht besuchen konnte, hat wirklich etwas verpasst. Zum Schluss konnten sich die Teilnehmenden noch mit Literatur zu Erich Mendel und CDs des Ensembles „mendels töchter“ versorgen. Kostproben dazu sind im Internet unter mendelstoechter.de zu finden.