Münster. „Es war so feierlich: die Kerzen brannten, der Chor ‚Cantabella‘ sang und eine bunte Gemeinde feierte. Ich war hinterher total glücklich“, sagte Barbara Wewel strahlend. Im Kirchraum der Justizvollzugsanstalt (JVA) Münster wurde die Pfarrerin unter Beteiligung von rund 60 Inhaftierten, Mitarbeitenden der JVA und Gästen von außerhalb in einem feierlichen Gottesdienst als Gefängnisseelsorgerin eingeführt. Zusammen mit Superintendent Holger Erdmann gestaltete Dekanin Uta Klose die offizielle Einführung: „Sie haben mit Barbara Wewel eine Pfarrerin gewonnen, die die Arbeit im Gefängnis liebt und die sich einsetzt für die Menschen – ohne und mit Schlüssel“, betonte Klose als Verantwortliche der Gefängnisseelsorge der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW). Wewel sei eine erfahrene Seelsorgerin, die zum Wohle der Menschen reflektiert und engagiert an einer Kirche im Gefängnis baue.
Und über Erfahrung im Bereich der Gefängnisseelsorge verfügt die 46-Jährige, die zuvor Gemeindepfarrerin in der Erlöserkirchengemeinde Münster war, reichlich. Bereits während ihres Theologiestudiums hatte die gebürtige Münsteranerin Kontakt zur dortigen JVA. Während eines Praktikums 2004 lernte Wewel den damaligen Gefängnisseelsorger Dieter Wever und diese besondere pastorale Arbeit kennen und lieben. Deshalb leistete sie auch einen Teil ihres Vikariates, also ihrer praktischen Ausbildung zur Pfarrerin, hinter Gittern. Diese Erfahrungen beeinflussten sie stark. „Seit dieser Zeit war mir klar: ich möchte im Gefängnis als Seelsorgerin arbeiten“, gesteht die Theologin. Die intensive Atmosphäre in der Anstalt habe sie sofort angesprochen. „In der JVA gibt es eine enge Verbindung zwischen Leben und Glauben. Dort teile ich den Alltag und den Gottesdienst mit den Menschen“, erzählt die Pfarrerin begeistert über ihren Dienst.
Neben Einzelgesprächen mit Inhaftierten feiert sie im Wechsel mit der katholischen Seelsorge regelmäßig Gottesdienste. Zusammen mit Mitarbeitenden des Vollzugsdienstes veranstaltet sie „Vater-Kind-Nachmittage“, um die Beziehung der Inhaftierten zu deren Familien zu ermöglichen und zugleich die Haftfolgen gerade für die Kinder zu minimieren. „Wichtig ist mir auch das Angebot ‚Tee-ologie – Teetrinken und über Gott und die Welt reden‘“, sagt Pfarrerin Wewel, denn mit Inhaftierten über Glaubens- und Lebensfragen ins Gespräch zu kommen, sei ihr ein Herzensanliegen. Dabei sei ihr wichtig, die begangenen Taten nicht aus dem Blick zu verlieren. „Für mich gehört es zur Würde des Menschen, ihn für seine Taten verantwortlich zu machen“, sagt die Gefängnisseelsorgerin und betont: „Im Gefängnis bin ich ganz nah an den Menschen, an ihren existentiellen Fragen, auch an mir selbst und wofür ich studiert habe.“ Sue
Info: Ev. Gefängnisseelsorge
Deutschlandweit sind ca. 200 evangelische Seelsorgerinnen und Seelsorger haupt- und nebenamtlich in etwa 170 Justizvollzugsanstalten (JVA) tätig und arbeiten im Frauen-, Männer- und Jugendvollzug, in der Abschiebungs-, Untersuchungs- und Strafhaft, in sozialtherapeutischen Anstalten und forensischen Kliniken.
In der Schnittstelle von Kirche und Justiz begleiten Seelsorger Menschen im Gefängnis – Gefangene wie Mitarbeitende. Sie besuchen Inhaftierte, bieten Seelsorge- und Beratungsgespräche an, feiern Gottesdienste, um „künftig ein Leben ohne Straftaten führen zu können“. (§2 Strafvollzugsgesetz) Zudem sind sie Ansprechpartner für Familienangehörige Inhaftierter und unterstützen in Not- und Krisenlagen.
Der Dienst der Gefängnisseelsorger ist durch die Schweigepflicht, das Beichtgeheimnis und das Zeugnisverweigerungsrecht geschützt.
In NRW gibt es zurzeit 36 Anstalten mit rund 22 evangelischen Gefängnisseelsorgern. Die JVA Münster ist die älteste Anstalt. Rund 240 Gefangene sind dort in Untersuchungs- und Strafhaft untergebracht; der überwiegende Teil in U-Haft. Weitere Informationen: www.gefaengnisseelsorge.de.