Warendorf. Die Umbauzeit war deutlich länger als erwartet, das Projekt in der Gemeinde lange umstritten. Doch am Abend des Reformationstages wurde das Martin-Luther-Haus in Warendorf unter riesengroßem Interesse wiedereröffnet und erhielt viel Lob. Durch die Sanierung ist aus einem der ältesten zugleich das modernste Gebäude des Kirchenkreises entstanden, hob Superintendent Holger Erdmann in seiner Ansprache hervor.
Das innen umgebaute und vollständig sanierte Haus stammt aus dem Jahr 1865 und steht unter Denkmalschutz. Im strikt katholisch dominierten Warendorf wurde es schon damals erst nach längerem Hin und Her an dieser prominenten Stelle der Stadt errichtet. Es diente als Schul- und Pfarrhaus und diese Doppelnutzung ist ihm bis heute durch zwei unterschiedlich gestaltete Schaufassaden anzusehen. Jetzt ist eine weitere Ansicht hinzugekommen, dort, wo bis 2021 noch der nicht-denkmalgeschützte Saalanbau aus dem 20. Jahrhundert stand.
Der Abbruch dieses Anbaus hatte im Vorfeld für viel Diskussion gesorgt, gerade bei älteren Gemeindegliedern, denen der Abschied schwerfiel. So ging es auch Hans-Jürgen Klein. Engagiert im CVJM habe er die Räumlichkeiten seit Ende der fünfziger Jahre intensiv genutzt und gerade deshalb nicht missen mögen, erzählt er: „Aber inzwischen habe auch ich eingesehen: Er war einfach zu groß.“
Das neue Martin-Luther-Haus ist jetzt deutlich kleiner. „Klein und kuschelig“, wie eine Besucherin nach der Besichtigung im Anschluss an die Festandacht zusammenfasste. Die Nutzung ist künftig zweigeteilt: Im Erdgeschoss liegen Gemeindebüro, ein großer Multifunktionsraum für Gemeindeaktivitäten und eine Küche. Das Obergeschoss bezieht der Jugendtreff „@ttic“, der inzwischen seit vielen Jahren ökumenisch getragen wird.
Schon die Räume in einer ehemaligen Schule, in denen der @ttic die Umbauzeit überdauerte, waren kleiner als die auf dem namensgebenden „Dachboden“ im Anbau des Martin-Luther-Hauses. Jetzt wird die pädagogisch bespielbare Fläche noch einmal kleiner, gibt @ttic-Leiter Stefan Molz zu. Geschickte Raumaufteilung und durchdachte Ausstattung aber machen viel wett. Und es gibt auch Vorteile: Die prominent gelegene, große Küche oder die Möglichkeit, zwei kleinere, getrennte Computerräume anzulegen. So kann ein Spielangebot auch „Ü16“ ermöglicht werden. Und schließlich: „Wir kommen nach Hause!“, so mehrere Vertreter des „@ttic“-Teams.
Damit Büro- und Gruppenleben nicht mit der Jugendarbeit in Konflikt geraten, haben die Jugendlichen außer einem gut schalldämmenden Boden aus Gussasphalt einen eigenen Zugang zum Haus bekommen. Zur Schauseite hin ist diese weitausladende Stahltreppe verhängt mit einer Wandscheibe aus Edelstahlgewebe. Die nimmt die Erinnerung an den früheren Anbau auf und weist mit der Spitze auf den alten Giebel. Das ganze Ensemble vor der verputzten Giebelwand des ansonsten verklinkerten Denkmals verleiht dem Gebäude aus diesem Blickwinkel eine spannende, moderne Optik.
Eine Gartenanlage, die mit Sitzgelegenheiten zum Verweilen einlädt, ein eigener, wenn auch nicht zu üppiger Parkplatz und eine umlaufende Rampe, die das Erdgeschoss barrierefrei macht, vervollständigen das Bild. Was entstanden ist, bekommt viel Lob. „Charme kann eine Stadt nicht verordnen, aber hier haben Sie ihn ihr verliehen“, hob Bürgermeister Peter Horstmann den neuen Anblick am prominenten Osttor hervor. „Das ist mehr als notwendig, das ist ein Akzent – so wie 1865 gedacht“, hatte auch Pfarrer Herwig Behring sich zuvor beim Presbyterium seiner evangelischen Gemeinde für dessen Mut beim Umbau bedankt.
Der dauerte statt dem veranschlagten einem Jahr drei Jahre. Die Verantwortung dafür liege beim Ukrainekrieg, erläuterte Behring während der Eröffnungsfeier. Statt wie geplant auf Gas und später Fernwärme zu setzen, musste nach einer alternativen umweltgerechten Heizungsanlage gesucht werden. „Was für eine Herausforderung bei einem Bau von 1865!“, machte Behring deutlich. Doch tatsächlich gelang die Umplanung und in Verbindung mit einer zusätzlichen Innendämmung wird das Denkmal nun mit einer Luft-Wärmepumpe beheizt. Ein Klimagerät für die Büroräume ist ebenfalls installiert.
Doch der Umbau, der auch mit viel Eigenarbeit vonstattenging, brauchte nicht nur praktischen und finanziellen Mut. Mut bedeute auch, sich auf Veränderung einzulassen, machte Pfarrer Cornelius Bury in der Andacht unter dem Titel „Mut verändert“ deutlich. „Glücklich ist die Kirche, die nie aufhört zu fragen, die nie aufhört zu suchen. Glücklich ist die Kirche, die sich selbst in Frage stellt und über sich lächeln kann“, hieße es dabei etwa im gemeinsam gesprochenen Psalm „Lebendige Kirche“.
Vom alten Saalbau stehen geblieben ist ein Rest der Außenwand, der das neue Ensemble nach hinten begrenzt. Die Gemeinde hat dem weit über Warendorfs Grenzen hinaus bekannten Graffiti-Künstler Smoe hier auf 12 mal 2,5 Metern freie Hand gegeben sich zu entfalten. Entstanden ist eine spannende, surreal anmutende Darstellung von überdimensionalen Blüten, glänzenden Tropfen, die den Himmel spiegeln und einem langen in weichen Falten fließenden Tuch. „Ich habe versucht, den Glauben zu malen“, erläutert der Künstler. „Der Glaube ist wie ein warmes Tuch, das sich um dich legt“. Genau sieben Tage reine Mal-Arbeit auf der Wand hat er für diese „Hommage an die Schöpfung“ gebraucht, erzählt er. Ulrike von Brevern