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„Von der Leichtigkeit des Seins …“ – Gute-Nacht-Geschichten für Jung und Alt im Kirchgarten

Im roten Sessel des Urgroßvaters von Barbara Stoll-Großhans sitzend las Sven Waske aus einer Novelle Eichendorffs vor. Foto: Barbara Trubel

Münster. Seit 2017 finden im Kirchgarten der Evangelischen Markus-Kirchengemeinde die „Gute-Nacht-Geschichten“ statt. Pfarrerin Stoll-Großhans hatte ihren ersten Sommer in der Kirchengemeinde und brachte die Idee dazu aus ihrem früheren Wohnort Tübingen mit. Der Ablauf der Abende ist ganz einfach: Es gibt zwei Lesungen, dazwischen eine Pause mit einem Glas Wein oder Wasser, natürlich Musik und immer am Schluss als gemeinsames Lied „Der Mond ist aufgegangen“.

Die Leser:innen kommen aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kirche, Kommune und Kultur. Sie sind der nahen und fernen Öffentlichkeit bekannt und lesen gerne. Jede:r Leser:in darf selbst entscheiden, was er*sie in den ca. 15-20 Minuten vorlesen möchte. So waren u.a. bereits da Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf, Buchhändler Christopher Görlich, Superintendent Holger Erdmann, Bezirksbürgermister Ralf Kiewitt, verschiedenste Schuleiter:innen aus dem Stadtteil, der Trainer der Fußballmädchen und -frauen von Westfalia Kinderhaus, Philipp Karnebeck, Brandoberinspektor der Feuerwehr, Marc Greshake, der Museumsleiter Walter Schröer, Popkantor Hans-Werner Scharnowski und viele andere. Über 70 Leser:innen haben in den letzten Jahren mitgemacht.

Die Musiker:innen kommen überwiegend aus dem Stadtteil, sind aber auch über Kinderhaus hinaus bekannt, wie Hermann Rottmann, der mit seinem Akkordeon das Lambertussingen an der Lambertikirche begleitet, Birgit und Georg Buch oder Christina und Dr. Patrick Zeni, die mit ihrem Chor Feelstimmig und der Reihe „Zenis und Friends“ Musikinteressierte nach Kinderhaus locken.

Der Kirchgarten ist an jedem lauschigen Sommerabend rechtzeitig vorbereitet: Stühle und Bänke für die Zuhörenden stehen bereit. Die Mikrofonanlage ist aufgebaut, damit auch ja kein Wort überhört werden kann. Wein und Wasser werden ausgeschenkt. Der rote Sessel steht auf der „Bühne“, neben ihm eine Stehlampe und ein kleines Tischchen. Wie in jedem Jahr steht der rote Sessel des Urgroßvaters der Pfarrerin, Wilhelm Urban, geb. 1866, und Wirt im Gasthaus zum Löwen in Blaubeuren bei Ulm, bereit. Ein würdiges Sitzmöbel mit Geschichte für gute Geschichten. Nach einer kurzen Vorstellung der Beteiligten gibt das „obligatorische“ Auftaktzitat eines jeden Abends den Startschuss:

„Der römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller, Philosoph, der berühmter Redner Roms, Cicero, sagte einmal: „Hast du einen Garten und eine Bibliothek, so wird es dir an nichts fehlen.“ Wir haben den Garten – die Bibliothek und ihre Geschichten holen wir uns heute noch dazu.“

An diesem Abend erzählt Dr. Sigrun Schwarz, Professorin am Fachbereich Gesundheit der FH Münster, ein norwegisches Märchen und Sven Waske, theologischer Leiter der Diakonie Münster, liest eine 200 Jahre alte Novelle von Joseph von Eichendorff. Die Gäste lauschen gespannt, hin und wieder ploppt ein Lachen auf – mal laut, mal leise – oder ein Raunen geht durch die Zuhörerschaft. In der Pause freut man sich mit einem erfrischenden Getränk in der Hand bekannte Gesichter zu treffen und die neuesten Neuigkeiten austauschen zu können.

Eintritt und Getränke sind frei, alles läuft auf freiwilliger Spendenbasis. Unterstützt wird in jedem Jahr mindestens ein soziales Projekt mit Bezug zum Stadtteil. In diesem Jahr werden mit der Hälfte der Spenden die Konzerte der Evangelischen Markus-Kirchengemeinde gefördert. Damit alle ohne Schranken an den Konzerten (in diesem Jahr spielen noch das Bernd Steinmann Quintett und Hans-Jürgen Hufeisen) teilnehmen können, wird dort kein Eintritt genommen. Die andere Hälfte der Spenden geht an den Verein „Move and Meet“. Mit seinem Projekt „Bike and Meet“ möchte der Verein vor allem Frauen mit Migrations- oder Fluchterfahrungen darin unterstützen, das für Münster so wichtige Fahrradfahren zu erlernen. Dieses Projekt wird in Kooperation mit der Waldschule Kinderhaus durchgeführt und ausschließlich von Spenden finanziert.

So haben am Ende ganz viele Menschen etwas von den Gute-Nacht-Geschichten. Und alle, die dabei sind, gehen an jedem Abend der Lese-Woche beschwingt und fröhlich mit neuen Buchempfehlungen und einem Lächeln auf den Lippen nach Hause.