Warendorf. „Viel Glück und viel Segen“ – mit diesem Geburtstagsständchen aus vielen Dutzend Kehlen eröffnete die Evangelische Kirchengemeinde Warendorf ihren Festgottesdienst zum Jubiläum der Christuskirche. 125 Jahre ist der Backsteinbau in diesem Jahr alt. Dabei musste die Gemeinde allein 70 Jahre darauf warten, überhaupt eine Kirche bauen zu können, erinnerte Pfarrer Cornelius Bury in der Begrüßung.
Das Ständchen demonstrierte auch die emotionale Verbundenheit, die viele mit der kleinen Kirche spüren. Er selbst komme auch gerne nur für kurze Zeit hierher in die offene Kirche, denn hier spüre er Geborgenheit, erzählte Gästeführer Werner Storck bei einer seiner stündlichen Kirchenführungen im Rahmen des anschließenden Gemeindefestes. Pfarrer Herwig Behring erinnerte in seiner Predigt an weitreichende Umbaupläne für den Innenraum, die es im vergangenen Jahrhundert gab, und die am Geld scheiterten. Sein Schluss: „Es ist manchmal nicht schlecht, nicht viel Geld zu haben. Nach 125 Jahren kann man sagen, hier mit der Kirche stimmt etwas.“ In Anlehnung an den Predigttext (Offenbarung Johannes 21) hielt er fest: „Sieh da, auch dieses Kirchlein ist Gottes Hütte für die Menschen, er wohnt mitten unter uns.“
In seiner Predigt forderte Pfarrer Behring von seinen Glaubensbrüdern und -schwestern grundsätzlich weniger Verzagtheit. „Es ist uns nicht verheißen, dass alle zur Kirche gehören. Es gehört aber zur DNA der Kirche, den Glauben an alle zu verkünden.“ Zwei Projekte aus dem Jubiläumsjahr zog er als Beleg dafür heran, mehr Mut zu wagen: Die Idee, drei weitere Glocken aus dem Gemeindebesitz in das Turmgeläut zu integrieren, sei auf so viel mehr spontane Unterstützung gestoßen, als erhofft, dass das Projekt deutlich schneller realisiert werden kann. Und auch die Kranichinstallation in und vor der Kirche habe sich als Projekt mit enormer Stahlkraft nach innen und außen erwiesen. Allein 7000 Menschen auf Instagram sahen das Video von der Installation. Eine Kirche in Bremen habe Interesse an der Übernahme gezeigt.
Zugleich kritisierte Pfarrer Behring das Papier des Kirchenkreises zur Zukunftsstrategie: Der Titel „fünf vor zwölf“ bedeute eine Haltung der Panik statt des Mutes. Das allerdings sei ja auch gar nicht der Titel, merkte Assessor Dr. Christoph Nooke an, der die Grußbotschaft des Kirchenkreises überbrachte. „Das Papier heißt „Zehn vor“ – der Rest ist im Kopf passiert.“ Es gehe um ein „Vorspulen“ auf die Situation in zehn Jahren. Entsprechend wünschte er der Gemeinde ein „fröhliches Nach-vorne-Schauen“.
Zugleich nahm er Bezug auf den Kirchenbau selbst, der anders als üblich nicht nach Osten, sondern nach Süden ausgerichtet ist. Anders passte das geplante Gebäude nicht auf das Gelände. Das allerding habe die Gemeinde ohnehin erst nach heftigen Widerständen der katholischen Stadtgesellschaft über einen Mittelsmann erwerben können, erläuterten Vertreter der Warendorfer Altstadtfreunde später. Warendorfs Bürgermeister Peter Horstmann hielt fest, ihm erscheine das heute als eine „echte Fügung“, denn so bilde die evangelische Kirche „das Tor zur Stadt“. Assessor Nooke, stellte die Frage nach der Himmelsrichtung in anderer Richtung. „Natürlich ist sie richtig. Sie geht nach oben.“ Außen sei die Kirche mit ihrem hohen Turm eine Landmarke, „unsere Landmarke für die Liebe“, innen gehe der Blick unweigerlich nach oben, allein durch die Inschriften und den mächtigen symbolträchtigen Leuchter in der Mitte.
Weitere Gratulationen kamen unter anderem von der katholischen Gemeinde St. Laurentius, deren Vertreter das besonders gute Miteinander herausstellten. Es sei so gut, dass das Wort Ökumene gar nicht mehr betont werden müsse. Neben der von EKD und Bischofskonferenz inzwischen anerkannten gottesdienstlichen Gastfreundschaft wünsche man sich vor Ort durchaus auch eine eucharistische Gastfreundschaft, sagte Klaus Schlepphorst vom Pfarreirat.
Zur musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes trug ein quicklebendiger Posaunenchor unter der Leitung von Georg Potthoff bei. Organist Lothar Glorius ließ die Orgel über sich hinauswachsen.
Eine umfangreiche Ausstellung mit Postkarten aus den Kindertagen der Christuskirche, die sich an allen Wänden des Gotteshauses entlangzieht, wurde im Anschluss an den Festgottesdienst eröffnet. Die Auswahl stammt aus einem Bestand von rund 7000 Karten, die Hans Rennemeier über Orte aus dem gesamten Kreis Warendorf gesammelt hat. Bauforscher und Kunsthistoriker Laurenz Sandmann erinnerte bei seinen einführenden Worten daran, dass Fotografie zu jener Zeit, an der Wende zum vergangenen Jahrhundert lange noch keine Selbstverständlichkeit war. Auch der Tourismus steckte noch in den Kinderschuhen. Entsprechend viel Wert kam den Postkartenmotiven zu, die oft ohne jeden Text verschickt wurden.
Die notwendigen langen Belichtungszeiten machten reglose Gebäude zu beliebten Motiven. Menschen mussten stillhalten, um scharf abgebildet werden zu können. Ähnlich wie heute kannte Postkartenfotografie allerdings auch damals schon ihre ganz eigene Wahrheit. So lag die Christuskirche objektiv gesehen außen vor. Fotografisch wird sie dann so inszeniert, dass Bach und Promenade auf sie zulaufen, sie förmlich ins örtliche Zentrum rücken.
Das fröhliche Gemeindefest, mit dem im Anschluss rund um die Kirche Geburtstag gefeiert werden sollte, musste witterungsbedingt in den benachbarten Sophiensaal verschoben werden. Unter anderem stand ein offenes Singen mit Popkantor Philipp Holmer auf dem Programm. Und die Antwort auf die Frage, wie viele Kraniche in der Gemeinde eigentlich tatsächlich gefaltet wurden: Statt 1000 waren es exakt 2037. Da waren genügend über, dass zum Festgottesdienst auch jede Kirchenbank und die Kanzel mit den filigranen Geschöpfen dekoriert werden konnten. Text: Ulrike von Brevern