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Was machen wir mit unseren Kirchen? Pfarrkonferenz beschäftigte sich mit der drängenden Frage der Umnutzung von Kirchgebäuden

v.l. Superintendentin Susanne Falcke (St-Coe-Bor), Referent Andreas Isenburg, Superintendent Holger Erdmann (Münster) und Superintendent André Ost (Tecklenburg). Foto: Maleen Knorr

Steinfurt. Es ist eine liebgewordene Tradition: Jedes Jahr im Mai treffen sich die Pfarrer:innen aus den drei Münsterland-Kirchenkreisen Steinfurt-Coesfeld-Borken, Münster und Tecklenburg zur gemeinsamen Pfarrkonferenz. In diesem Jahr ging es im Evangelischen Gemeindezentrum Burgsteinfurt um ein sehr aktuelles Thema: Andreas Isenburg aus dem oikos-Institut der Landeskirche stellte Modelle der Umnutzung von Kirchen in Deutschland und England vor.

Rückläufige Gemeindegliederzahlen und der damit eingehergehende Rückgang der Finanzmittel führen in vielen Gemeinden dazu, dass der derzeitige Gebäudebestand nicht mehr haltbar ist und die Gebäude nicht mehr finanzierbar sind. Dazu tritt die sogenannte Substanzerhaltungsrücklage, die für jedes kirchliche Gebäude gebildet werden muss und in vielen Gemeinden als zusätzliche Belastung erlebt wird. Doch auch die Auslastung der Gebäude ist ein Problem: Je weniger Menschen sich einer Gemeinde zugehörig fühlen, desto weniger werden auch die Kirchen und Gemeindehäuser genutzt. „Wir haben in Deutschland 45.000 Sakralgebäude, ca. 1/3 davon sind nicht zu halten“, machte Isenburg deutlich. „Was machen wir mit den tausenden Gebäuden? Wie weit darf eine neue Nutzung gehen?“ Isenburg teilte seine Modelle, mit Blick auf Nutzung und Trägerschaft, in fünf Rubriken ein.

Säkulare Nutzung mit säkularer Trägerschaft

Als Beispiel für die säkulare Nutzung mit säkularer Trägerschaft stellte er das Restaurant Glück und Seligkeit in Bielefeld-Gadderbaum vor, das mal eine evangelische und später eine orthodoxe Kirche war, bevor es 2002 zu einem Restaurant umgebaut wurde. Als weiteres Beispiel diente die Jakobuskirche in Gelsenkirchen, in die ein Beerdigungsinstitut eingezogen ist. Anders als in Bielefeld, musste der Innenraum für diese neue Nutzung nur geringfügig verändert werden. Eine weitere Idee der Umnutzung ist der Umbau zu Ferienwohnungen, wie sie zum Beispiel in Kehlheim in Bayern zu finden sind und in Meschede (Johanneskirche) derzeit entstehen. Als abschreckendes Beispiel für eine Umnutzung empfanden die Teilnehmenden die Leopoldsburger Kirche in Milow (Havelland), in der man heute eine Sparkasse findet.

Säkulare und kirchliche Nutzung mit säkularer Trägerschaft

Als Beispiel für eine sowohl säkulare als auch kirchliche Nutzung einer Kirche in säkularer Trägerschaft stellte Isenburg die Kreuzeskirche in Essen vor, die zu einer multifunktionalen Veranstaltungsstätte geworden ist. 2013 wurde die Kirche an den Essener Bauunternehmer Rainer Alt verkauft, der sie für drei Millionen Euro umbauen ließ, so Isenburg. Die Kirche kann für Seminare, Events und Firmenfeiern gemietet werden – die Evangelische Kirchengemeinde ist „nur noch“ Mieterin.

Säkulare und kirchliche Nutzung in kirchlicher Trägerschaft

In England findet man in St. Mary Aldermary eine Café-Kirche. Hier gibt es jeden Tag ein Mittagsessen und auch geistliche Angebote. Erreicht werden sollen die Menschen, die in der Umgebung arbeiten. Isenburg berichtet, dass es in England viele dieser Café-Churches gebe, auch im ländlichen Bereich, die sich vor allem bei Radtouristen großer Beliebtheit erfreuen. Auch in Deutschland gibt es Beispiele für eine kreative „Doppelnutzung“ von Kirchen – als Raum für Gottesdienste und Raum für weltliche Angebote – und das in kirchlicher Trägerschaft. In Sachsen-Anhalt findet man Themenkirchen, in Barsinghausen in Niedersachsen verwandelt sich die Kirche jedes Jahr im Juni in eine Dorfkneipe mit Kulturprogramm, die täglich über 100 Menschen anzieht. In Metzingen in Baden-Württemberg ist eine Kletterhalle in der Kirche entstanden, die von der Evangelisch-methodistische Kirche betrieben wird.

Kirchliche Nutzung mit kirchlicher Trägerschaft

Beispiele für die kirchliche Nutzung in kirchlicher Trägerschaft findet man viele, so die Kinderkathedrale in Hamburg-Bramfeld oder die Segenskirche in Dortmund-Eving. Diese Modelle erwirtschaften jedoch keine oder kaum zusätzliche Einnahmen für die Gemeinde, so dass sie für Kirchengemeinden, die sich aufgrund der Finanzlage von Gebäuden trennen müssen, keine Alternative darstellen.

Ökumenische Nutzung

Die ökumenische Nutzung von kirchlichen Gebäuden ist definitiv eine Perspektive mit Zukunft, ist sich Isenburg sicher. Denn auch in der katholischen Kirche ist das Thema der Gebäudereduzierung groß. Erste Schritte in diese Richtung hat die Evangelische Kirchengemeinde Havixbeck gemacht, die sich von ihrer Kirche im Ortsteil Nienberge getrennt hat. Auf dem Grundstück entsteht ein durch einen Investor zu errichtender Gebäudekomplex, in dem vor allem Wohnungen realisiert werden und dem die Kirchengemeinde einen kleineren Gottesdienstraum anmieten wird. In der Übergangszeit nutzt die Kirchengemeinde die katholischen Pfarrkiche und das Pfarrzentrum St. Sebastian. Maleen Knorr