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„Nach Corona brauchen wir Gemeinschaft“ – Sabine Broll-Onnebrink leitet das Evangelische Jugendzentrum in Münster-Hiltrup

Sabine Broll-Onnebrink geht es im Jugendzentrum Hiltrup um das Gemeinschaftsgefühl und um die Annahme jeder Person, wie sie ist. Foto: Felder

Olfen. Als erster Kirchenkreis in Westfalen hat der Kirchenkreis Münster einen Trägerverbund für offene Kinder- und Jugendarbeit gegründet, den Jessica Böker leitet. Waren zuvor die Kirchengemeinden selbst Trägerinnen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, so ist es jetzt der Trägerverbund, mit dem somit eine neue, eigenständige Säule der kirchlichen Arbeit entstanden ist. Um deren Arbeit bekannter zu machen, stellen wir in dieser Serie beispielhaft Einrichtungen vor, die dem Trägerverbund angehören. In der dritten Folge geht es um das Evangelische Jugendzentrum in Münster-Hiltrup, das von Sabine Broll-Onnebrink geleitet wird.

Sabine Broll-Onnebrink wurde 1964 in Münster geboren. Sie wuchs als Tochter einer evangelischen Mutter und eines katholischen Vaters in ihrer Heimatstadt auf, war aber als Kind oder Jugendliche nicht in der evangelischen Jugendarbeit engagiert. „Ich hatte nichts dagegen, aber es hat sich damals in dieser Richtung nichts ergeben“, urteilt sie aus der Sicht von heute. „Es gab da keine Schnittstelle.“ Von 1975 bis 1981 besuchte sie die Paul-Gerhardt-Realschule, danach die Anne-Frank-Schule, wo sie 1984 das Abitur ablegte. Von 1985 bis 1987 schloss sich der Besuch der inzwischen geschlossenen ESPA an, bevor sie ihre erste Stelle bei der Elterninitiative „Die Minis“ (Münster-Coerde) antrat, wo sie von 1988 bis 1998 tätig war. Parallel dazu nahm sie ab 1997 ein Studium der Sozialpädagogik an der Fachhochschule für Sozialwesen in Münster auf. Von 1998 bis 2000 arbeitete sie als Honorarkraft bei der Erziehungsberatungsstelle der Caritas und begleitete und beriet dort Eltern und Kinder in Kinderhaus und Hiltrup. Im Jahr 2001 machte sie ihr Diplom im Fach Sozialpädagogik und ging danach zu den Ambulanten Erziehungshilfen im Kreis Steinfurt. Im Jahr 2008 wechselte sie zum Deutschen Roten Kreuz (DRK) Tecklenburger Land, bei dem sie den – inzwischen nicht mehr existierenden – Sprachheilkindergarten für sprach- und körperbehinderte Kinder in Hörstel-Ostenwalde leitete. Ab 2012 war sie bei der Organisation „Outlaw“ im Kreis Warendorf als Systemische Familientherapeutin tätig, bis sie 2019 zum Evangelischen Jugendzentrum in Hiltrup kam. „Ursprünglich hatte das nie auf meiner Agenda gestanden“, räumt sie freimütig ein. „Aber als eine Freundin, die den evangelischen Kindergarten leitet, mir den Tipp gegeben hatte, habe ich mir die Stellenausschreibung durchgelesen und es sofort als reizvoll angesehen, Kindern ein Zuhause geben zu können.“ Heutzutage fehle Kindern nämlich häufig ein Anker im Alltag, weil sie „wegorganisiert“ würden, merkt die engagierte Frau an, die jahrzehntelange Erfahrung in der Arbeit mit Kindern hat. Die Erzieher und Erzieherinnen würden immer mehr zu Dienstleistern, die keine natürliche Autorität mehr besäßen und deren berufliches Ethos geringgeschätzt werde. „Man sollte die Fachlichkeit aber bei den Fachleuten belassen“, fordert die Expertin. „Aufgrund des Fachkräftemangels haben wir heutzutage leider viel zu wenig Leute, die diesen Job attraktiv finden.“

Auch beim Jugendzentrum Hiltrup schlägt sich das nieder: Die Leiterin ist zugleich die einzige Angestellte. „Das ist hier im Wesentlichen eine One-Woman-Show“, stellt Sabine Onnebrink nüchtern fest. „Das Konzept ist meines, und ich organisiere und plane alles. Dabei orientiere ich mich am Bedarf.“ Insofern sei es ein Riesenglück, Leute zu finden, die ins Konzept passen: Beim Jugendzentrum Hiltrup sind das zehn Honorarkräfte. Das Angebot im offenen Treff ist breit: Am Dienstag liegt der Angebotsschwerpunkt auf dem gemeinsamen Nähen, an dem durchschnittlich 14 Kids, aktuell nur Mädchen, teilnehmen, wobei der Kurs auch den Jungen vorgestellt wird. „Es sind sogar schon Achtjährige dabei, die nähen“, freut sich Sabine Onnebrink. Am Donnerstag ist Kochen und Backen angesagt. Da inzwischen eine neue, sehr gut ausgestattete Küche angeschafft wurde, die viel Kommunikation ermöglicht, kommt es jetzt immer wieder vor, dass alle, die das Kochen verfolgen wollen, dem Koch oder der Köchin gegenübersitzen und sich mit ihm oder ihr austauschen können. Außerdem ist ein Gartenprojekt gestartet worden, bei dem die Kids Kräuter pflanzen können. Im Hinblick auf Gesellschaftsspiele hat das Jugendzentrum viel zu bieten, weil es mit dem Hiltruper Spieleladen „Fiffikus“ kooperiert. „In der Corona-Zeit hat sich der Trend verstärkt, dass Jungen sich stundenlang mit ihren Spielekonsolen beschäftigen und Mädchen mit den sozialen Medien“, stellt die Leiterin des Jugendzentrums fest. „Mit anderen Worten: Die Kinder heute sind viel zu sehr mit ihrem Handy befasst und kommen aus ihren Zimmern oft nicht mehr heraus. Dem wollen wir entgegensteuern.“ Überhaupt hätten die Gewohnheiten sich durch die Pandemie seit drei Jahren verändert, fügt sie hinzu: Der Egoismus werde größer, soziale Kompetenzen nähmen ebenso ab wie Frustrationstoleranz und Zuversicht, die Fähigkeit zum Verständnis und zur Empathie. Darüber hinaus hätten viele Angst, keinen bezahlbaren Wohnraum mehr zu bekommen. „Wir versuchen, der Entwicklung entgegenzutreten, dass die eigene Bedürftigkeit übermäßig nach vorne tritt“, unterstreicht Sabine Onnebrink. „Nach Corona brauchen wir unbedingt Gemeinschaft.“

Die Zielgruppe des Jugendtreffs stellen vorrangig Viert-, Fünft- und Sechstklässler dar, für die es sonst wenig Angebote gibt. An jedem ersten Sonntag im Monat stehen die Grundschulkinder von sechs bis zehn Jahre im Mittelpunkt. Bis zum letzten Sommer kamen auch noch viele geflüchtete Jugendliche von der örtlichen Hauptschule, die aber inzwischen die Kooperation aufgekündigt hat. Sehr gern arbeitet Sabine Onnebrink, die auch als Gemeindepädagogin aktiv ist, mit Beate Bentrop, der Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Hiltrup, zusammen, die stets betont, dass, wenn zwei oder drei versammelt seien, Christus mitten unter ihnen sei. „Bei uns geht es um ein Gemeinschaftsgefühl und um die Annahme jeder Person, wie sie ist. Hier wird jeder und jede ohne Vorbehalte akzeptiert,“ hebt die Leiterin hervor. Das Krippenspiel und die Kinderbibelwoche gehören für sie fest zum Angebot des Treffs dazu.

Welchen Vorteil hat es aus Onnebrinks Sicht, dass das Jugendzentrum zum neu geschaffenen Trägerverbund des Kirchenkreises gehört? „Der große Vorteil ist, dass die darin zusammengeschlossenen Einrichtungen an einem Strang ziehen und nicht jeder vor sich hin werkelt“, betont sie. „Das ist etwas Neues. Man weiß jetzt immer, was irgendwo wie läuft und wie es verwirklicht wird. Darüber hinaus wird einem auch bewusst, welche Missstände oder Defizite es noch gibt.“ Die großen, durchgehenden Räume des Treffs, die in den letzten Jahren ansprechend gestaltet worden sind, bieten unter anderem die Möglichkeit zum Spielen von Tischtennis, Tischfußball und Gesellschaftsspielen, zum Basteln, Nähen und Bemalen von Leinwänden mit Acrylfarbe sowie zum Gewichtheben; sie können durch eine Schiebewand auch unterteilt werden. Durchschnittlich zwischen fünf und 15 Kindern versammeln sich hier. „Für manche Kinder ist es auch gut, wenn nicht zu viele da sind,“ betont die Leiterin. Wichtig sei es in diesem Zusammenhang nämlich auch, dass Kinder mit Handicaps hier ihren Platz hätten. So wird von Mai bis Dezember ein inklusiver Mädchentreff mit sechs Mädchen über 13 Jahren, alle mit Behinderungen, angedockt, der von einer Ehrenamtlerin geleitet wird. „Sie sollen hier einen geschützten Rahmen erleben“, bekräftigt Sabine Onnebrink, die fest vorhat, bis zu ihrem Ruhestand als Leiterin des Treffs zu arbeiten. „Ich will auf keinen Fall mehr wechseln, denn das hier ist ein guter Platz“, sagt sie voller Überzeugung. „Das Alter hat beim Umgang mit Jugendlichen noch nie eine Rolle gespielt, und abgesehen davon habe ich ja junge Leute als Mitarbeiterinnen. Lust auf diese Aufgabe muss man allerdings schon haben, aber die habe ich nach wie vor.“ Gerd Felder

Info
Das Evangelische Jugendzentrum in Münster-Hiltrup ist dienstags von 13:30 bis 18 Uhr, mittwochs und donnerstags von 13:30 bis 17:30 Uhr und jeden zweiten und vierten Samstag von 15 bis 20 Uhr für die Altersgruppe 8-13 Jahre sowie an jedem ersten Sonntag im Monat als Spieletreff für Grundschulkinder geöffnet. In den großen Ferien wird ein dreiwöchiges Ferienprogramm für alle Hiltruper Kids sowie ein einwöchiger Näh-Workshop angeboten.