Olfen. Als erster Kirchenkreis in Westfalen hat der Evangelische Kirchenkreis Münster einen Trägerverbund für offene Kinder- und Jugendarbeit gegründet, den Jessica Böker leitet. Waren zuvor die Kirchengemeinden selbst Trägerinnen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, so ist es jetzt der Trägerverbund, mit dem somit eine neue, eigenständige Säule der kirchlichen Arbeit entstanden ist. Um deren Arbeit bekannter zu machen, stellen wir in dieser Serie beispielhaft Einrichtungen vor, die dem Trägerverbund angehören. In der ersten Folge geht es um „Gaudium“, den Offenen Kinder- und Jugendtreff in Olfen, der von Nicole Funke geleitet wird.
Nicole Funke wurde 1975 in Unna geboren und leitet schon seit 20 Jahren den Offenen Kindertreff in Olfen. Zuvor war sie elf Jahre lang ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit ihrer Heimat-Kirchengemeinde Unna-Billmerich gearbeitet, wodurch bei ihr der Wunsch entstanden war, diese Tätigkeit zu ihrem Beruf zu machen. Nicole Funke setzte ihr Vorhaben in die Tat um, studierte Erziehungswissenschaften mit Abschluss Diplom in Dortmund und bekam danach recht schnell eine Stelle in der Kinder- und Jugendarbeit der evangelischen Kirchengemeinde Lennestadt-Altenhundem. „Dabei ging es allerdings weniger um offene Arbeit, und außerdem wurde meine Stelle in Folge von finanziellen Kürzungen um die Hälfte reduziert“, erinnert sich Nicole Funke. Als sie sich aber dann im Jahr 2004 auf die Stelle in Olfen bewarb, erhielt sie den Zuschlag. „Ich kannte damals bereits den Kirchenkreis Münster und wusste, dass es hier viel offene Kinder- und Jugendarbeit gibt“, erläutert sie. „Der Offene Treff hier, der sich nur an Kinder im Alter von sechs bis zwölf, eventuell auch 14 Jahren, richtet, war damals im Aufbau, und ich konnte daran kräftig mitwirken.“ Wurde damals noch vorwiegend mit Gruppen gearbeitet, so hat sich das inzwischen allerdings grundlegend geändert: Heutzutage gibt es nur noch eine Mädchengruppe und einen Kochkurs. „Gruppen sind heute nicht mehr up to date, weil die Kids sich nicht mehr festlegen wollen“, erklärt die Expertin. Stattdessen werden viele Theater- sowie Foto- und Filmprojekte sowie Bastelworkshops angeboten. „Das Problem bei uns ist, dass der Besuch unseres Treffs starken Schwankungen unterliegt“, unterstreicht Nicole Funke. „Der ist manchmal hervorragend, aber wenn die Kinder bei gutem Wetter draußen spielen können, sind wir schlechter besucht.“
Mit „Get together“ („Vielfalt – wir leben sie“), das jetzt gestartet wird, sollen verschiedene Kulturen zusammengebunden, Feste gefeiert und unterschiedlichste Erlebnisse ermöglicht werden. Hintergrund ist, dass es in Olfen viele Zuwanderer und Asylanwärter aus Syrien, Iran, Irak, der Türkei, Afghanistan und afrikanischen Ländern gibt, die sich häufig kein teures Freizeitprogramm leisten können. „Genau für sie sind wir da“, betont die Leiterin. Aus ihrem Personalproblem macht sie kein Hehl: Der offene Kindertreff ist eine One-Woman-Show. Sie allein muss alles stemmen und aufrechterhalten und ist dabei auf Ehrenamtliche angewiesen. „Wenn zu uns 15 Kinder kommen, ist das für uns sehr viel, denn die müssen alle beschäftigt werden“, unterstreicht sie. Zwei Drittel zu einem Drittel – so sei in etwa das Verhältnis der Kinder aus sozial schwächeren Familien zu den aus gutsituierten Familien stammenden. Zwei Dinge seien es, die für sie am offenen Kindertreff attraktiv seien: Zum einen sei das die Suche nach einer guten Freizeitgestaltung. „Wenn sie es toll finden, kommen sie immer wieder“, versichert die erfahrene Pädagogin. „Und zum anderen kommen sie, weil sie mich kennen. Der Treff ist ganz viel Beziehungsarbeit.“ Zum Teil habe sie heute schon mit der zweiten Generation einer Familie zu tun. Viele kämen auch, weil sie ein Problem hätten, das gelöst werden müsse. „Ich muss sie an die Hand nehmen“, streicht Funke heraus. „Und genau das macht unser evangelisches Profil aus: Wir kümmern uns darum und gehen mit ihnen, wenn sie ein Problem haben.“ Viele Eltern hätten Erziehungsprobleme und lebten in Armut und Überschuldung, Mädchen würden manchmal vorzeitig schwanger. Klar sei aber auch: Sie könne nicht alle Probleme lösen.
Wichtig ist auch: Das gesamte Angebot des offenen Kindertreffs ist kostenlos, was entscheidend ist, denn viele hätten kein Geld dafür, die Angebote zu bezahlen. Für die Kids gelte aber nicht der Grundsatz: Was nichts kostet, ist auch nichts, sondern sie kämen bereitwillig. Ferienfreizeiten bietet der Treff nicht an, dafür aber Wochenendfahrten für 50 oder 60 Euro in die nicht ganz so weit entfernte Umgebung. Grundsätzlich sieht Nicole Funke ihre Aufgabe sehr positiv: „Ich habe den richtigen Weg eingeschlagen und mache das alles hier unwahrscheinlich gern“, versichert die Sympathieträgerin glaubhaft. „Kinder haben eine besondere Art, einen mitzureißen und glücklich zu machen.“ Ihr Ziel sei es erklärtermaßen nicht, die Kids zu missionieren, sondern Ansprechpartnerin für alle im Ort zu sein. Lange hat sie sich gegen die Nutzung von Spielekonsolen in ihrer Einrichtung gewehrt; jetzt aber sträubt sie sich nicht mehr dagegen, weil ihr der Gemeinschaftsaspekt am wichtigsten ist. Im Treff gibt es aber sowohl ein großes Regal mit analogen Gesellschaftsspielen als auch eine Reihe von medialen Projekten. „Hier ist jeder gleich, und jeder wird gleich behandelt“, unterstreicht die „Gaudium“ -Leiterin, die mit der Arbeit für die evangelische Kirche groß geworden und in der Gemeinde zusätzlich als Prädikantin tätig ist. „Wir machen als evangelische Einrichtung eine andere Arbeit als der Sportverein, die Pfadfinder oder die Musikschule. Das kann man nicht miteinander vergleichen.“ Die Veränderung, dass „Gaudium“ sich dem Trägerverbund offener Kinder- und Jugendeinrichtungen angeschlossen hat, hat in ihren Augen den Vorteil, dass sie sich mit den Verantwortlichen anderer Treffs besser vernetzen kann und dass sie weniger abhängig vom örtlichen Presbyterium ist, das über ihre pädagogische Arbeit bestimmen könnte; außerdem mache es die Stelle sicherer.
Dass sich im Laufe der 20 Jahre, in denen die alleinerziehende Mutter eines Kindes den Treff leitet, viel geändert hat, ist ihr stets bewusst. „Früher haben die Kids jahrelang Fußball gespielt, heute vielleicht nur noch ein Jahr“, nennt sie ein Beispiel. „Die Mädchen jagen heutzutage ab einem bestimmten Alter einem Schönheitsideal hinterher, bei den Jungen stehen eher das I-Phone und die Spielekonsole im Vordergrund.“ Ans mögliche Aufhören verschwendet die hochmotivierte 49-jährige keinen Gedanken. „Ich mache das so lange, wie es mir Spaß macht. Hinterher könnte ich mir vorstellen, als Gemeindepädagogin in der Kirchengemeinde einzusteigen.“ Gerd Felder