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„Aufklärung und Prävention sind ganz wichtig“ – Paul Middendorf will Jugendlichen in Kinder- und Jugendtreffs Greven-Reckenfeld ein zweites Zuhause bieten

Lässt sich in seiner Arbeit bewusst vom christlichen Menschenbild leiten: Paul Middendorf. Foto: privat

Olfen. Als erster Kirchenkreis in Westfalen hat der Kirchenkreis Münster einen Trägerverbund für offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) gegründet, den Jessica Böker leitet. Waren zuvor die Kirchengemeinden selbst Trägerinnen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, so ist es jetzt der Trägerverbund, mit dem somit eine neue, eigenständige Säule der kirchlichen Arbeit entstanden ist. Um deren Arbeit bekannter zu machen, stellen wir in dieser Serie beispielhaft Einrichtungen vor, die dem Trägerverbund angehören. In der zweiten Folge geht es um den Offenen Kinder- und Jugendtreff in Greven-Reckenfeld, der von Paul Middendorf geleitet wird.

Middendorf wurde 1993 in Mettingen geboren und wuchs in Osnabrück auf. Selbst evangelisch getauft, wurde er im Hinblick auf den christlichen Glauben vor allem durch seine katholische Oma geprägt. Ab 2014 studierte er Soziale Arbeit an der Fachhochschule Münster und machte im Jahr 2017 ein Praxissemester im Jugendzentrum der Evangelischen Gemeinde Handorf. Ein Jahr später verließ er die Universität mit dem Bachelor of Arts und trat eine Stelle bei der Kinder- und Jugendarbeit Greven-Reckenfeld an, deren Leiterin damals Jessica Böker war. Vor zwei Jahren übernahm er deren Nachfolge in der Leitung. Derzeit verfügt die Einrichtung außer dem Leiter über einen Sozialarbeiter, zwei duale Studenten (die nach dem Vorbild der Ausbildungsmodelle Studium und Praxis miteinander verbinden), drei Übungsleiter auf Honorarbasis und eine Praktikantin. Darüber hinaus unterstützen fünf bis sechs Jugendliche ehrenamtlich den Treff; nicht alle aber arbeiten parallel.

Die Einrichtung umfasst zwei Jugendzentren mit Kreativwerkstatt und Fitnessraum, die täglich von 14 bis 20 Uhr geöffnet sind und sich an Sechs- bis 27-jährige richten; die Haupt-Zielgruppe aber ist zwischen zwölf und 18 Jahren alt. Manchmal gibt es in beiden Jugendzenten Doppelangebote, aber normalerweise konzentriert das eine Zentrum sich auf Kinder, das andere auf die älteren Jugendlichen. „Unsere Botschaft ist: Jeder und jede zwischen sechs und 27 Jahren ist uns willkommen, unabhängig von Alter und Geschlecht“, hebt Middendorf hervor. „Diese grundsätzliche Offenheit ist uns wichtig und macht auch unser evangelisches Profil aus.“ In dem vermeintlich so beschaulichen Reckenfeld gebe es nämlich viele Probleme, unter anderem auch mit Drogenkonsum, und deshalb viel Bedarf für die Kinder- und Jugendarbeit. Pro Tag kommen durchschnittlich etwa 30 Kinder und Jugendliche, meist aus den umliegenden Gesamt- und Förderschulen. „Viele von ihnen sind nicht gern zu Hause, erleben dort Stress, Alkohol und möglicherweise auch häusliche Gewalt“, schildert Middendorf die Probleme. „Deswegen ist unser Anspruch, ihnen ein zweites Zuhause zu bieten – mit Tischfußball, Billardraum und Sofa- und Chill-Ecke.“ Viele unter den Besuchern des Treffs seien Stammgäste, einige von ihnen kämen bereits um 14 Uhr und blieben bis zum Schluss um 20 Uhr. Die meisten hätten keinen Migrationshintergrund, sondern seien Deutsche, teilweise auch Deutsch-Russen und Deutsch-Polen. Die große Mehrheit komme aus Reckenfeld selbst, manche aber auch aus Greven, Emsdetten und Münster. „Hatten wir früher vorwiegend junge Männer, so ist das Verhältnis zu den Mädchen und jungen Frauen inzwischen zahlenmäßig fast ausgeglichen“, stellt er fest. Die grundsätzliche Linie bestehe darin, sie nicht zu missionieren, sondern sie da abzuholen, wo sie stehen. „Ich habe schon gesagt: Offenheit ist unser Grundprinzip“, unterstreicht Middendorf. „Das heißt: Die Kids dürfen selbst mitbestimmen, was gemacht wird. Würde ich die Bibel aufschlagen, dann wären viele sofort weg.“

Andererseits lassen Middendorf und die anderen Mitarbeiter sich ganz bewusst vom christlichen Menschenbild leiten und versuchen dementsprechend, die „Problemjugendlichen“ zu integrieren und in Diskussionen auf Werte hinzuweisen, die ihnen wichtig sind. „Inzwischen sind hier viele AfD-nah und beziehen ihre Informationen hauptsächlich über soziale Medien wie Tiktok.“ Deshalb versuchten seine Mitarbeiter und er selbst, sie über wichtige Themen aufzuklären und ihnen zu verdeutlichen, dass es auch andere Informationsquellen gebe und die Realitäten oft ganz anders aussähen als in den von ihnen genutzten Medien. „Aufklärung und Prävention sind bei uns ganz wichtig, auch mal in größerem Stil, wenn gerade viele da sind“, betont der einfühlsame Leiter des Treffs. „Das heißt zugleich, dass man eine Beziehung zu den Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufbauen muss, um sie gut erreichen zu können.“ Dass er mit dem Fahrrad zum Dienst erscheine, bringe manche junge Leute zum Nachdenken, da es von den Elternhäusern oft keinerlei Impulse im Hinblick auf den Klimaschutz oder die Nachhaltigkeit gebe. „Ein paar dumme Sprüche muss ich mir allerdings auch manchmal anhören“, fügt er schmunzelnd hinzu.

Und worin sieht Paul Middendorf den größten Vorteil der Veränderung, dass der Kinder- und Jugendtreff jetzt zum Trägerverbund des Kirchenkreises Münster gehört? „Das ist eindeutig die engere Zusammenarbeit und der regelmäßige Austausch über alles, was in den einzelnen Einrichtungen vor sich geht“, antwortet er spontan. „Inzwischen sind auch bereits gemeinsame Aktionen geplant.“ Weitere größere Veränderungen bahnen sich bereits an: In den kommenden Jahren sollen beide Jugendzentren, die zum Trägerverbund gehören und deren Eigentümerinnen die evangelische und die katholische Kirchengemeinde sind, abgerissen werden. Für beide Kirchengemeinden steht laut der Geschäftsführerin des Trägerverbunds, Jessica Böker, aber schon jetzt fest, dass sie die OKJA im jeweiligen Neubau aufnehmen oder alternativ finanziell unterstützen werden. Gerd Felder