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„Wie wird Frieden?“ – Ökumenische Friedensvesper am Tag des Westfälischen Friedens in der St. Lamberti-Kirche

Die Mitwirkenden der ökumenischen Friedensvesper 2022. Foto: Ev. Kirchenkreis Münster.

Münster. Seit 1993 erinnern die münsterischen Kirchen mit einer ökumenischen Friedensvesper an den Tag des Westfälischen Friedens von 1648. So luden auch in diesem Jahr die evangelische Apostel-Kirchengemeinde und die katholische Pfarrei St. Lamberti gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) am Abend des 24. Oktober zur Friedensvesper in die St.-Lamberti-Kirche.

„Es ist ein Prozess, Frieden zu schaffen“, eröffnete Pfarrer Hans-Bernd Köppen von der Pfarrgemeinde St. Lamberti Münster den ökumenischen Gottesdienst. „In diesem Jahr müssen wir uns plötzlich wieder fragen ‚Was können wir tun, um Frieden zu bewahren?‘“, so der katholische Geistliche. – Den Tag des Westfälischen Friedens 2022 überschattet unfraglich die Aktualität der Friedensfrage angesichts des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine. Erschreckend aktuell klangen auch Verse aus Matthias Claudius‘ „Kriegslied“, das Margret Dick von der Alt-Katholischen Kirche vortrug: „Was hülf′ mir Kron′ und Land und Gold und Ehre? / Die könnten mich nicht freun! / ′s ist leider Krieg – und ich begehre / Nicht schuld daran zu sein!“

Den Mittelpunkt der diesjährigen Friedensvesper bildete der vielbeachtete Text „Friede ist das große Wagnis“ des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer von 1934. In der Kanzelrede griff der Journalist und Theologe Arnd Henze die darin leitende Frage „Wie wird Frieden?“ auf. Henze warnte vor verkürzten Lesarten und einer Vereinnahmung Bonhoeffers. Bonhoeffers Texte müssten „nicht in ihrer zeitlosen Gültigkeit, sondern in ihrem Ringen mit ganz konkreten Herausforderungen“ gelesen werden. Wie Bonhoeffer sich in den 1930er-Jahren von seiner Zeit hat herausfordern lassen, so appellierte Henze, dass auch wir „uns in unserer Realität heute mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Unbedingtheit herausfordern lassen“. Die Herausforderung der Realität erzwinge allerdings oftmals die Einsicht, dass nicht alle pazifistischen Überzeugungen der Realität standhalten.

Was wir heute von Bonhoeffer lernen könnten, sei die „bedingungslose Bereitschaft, sich nicht aus der eigenen Verantwortung zu stehlen“. Bonhoeffer sei der Frage „Wie wird Frieden?“ treu geblieben, „nicht obwohl, sondern weil er sie 1938 und 1939 ganz anders beantwortet hat“ als 1934. Mit Blick auf den aktuellen Krieg in Europa ist der vielfach ausgezeichnete Journalist überzeugt: Wir müssen uns hineinbegeben „in die Dilemmata und Aporien dieses Krieges, der die fundamentalen Prinzipien des Westfälischen Friedens und der Charta von Paris mitzertrümmert.“ Dazu gehöre, dass die Abwägungen schmerzhafter würden. Ein eindeutiges „Richtig oder Falsch“ gäbe es nicht. Ausführlich schilderte Henze seine persönliche Abwägung zur militärischen Unterstützung der Ukraine und folgert: „Gerade, weil wir der Ukraine im Frühjahr mit guten Gründen nicht geben konnten, worum uns die Menschen dort angefleht haben: sollte ich heute nicht dankbar sein über jeden einzelnen Menschen, jede Rentnerin und jedes Kind, die nach einer bangen Nacht im Luftschutzkeller lebendig in ihre unzerstörte Wohnung zurückkehren kann – weil Luftabwehrsysteme auch aus Deutschland inzwischen zumindest jede zweite Cruise Missile, Iskander oder iranische Drohne unschädlich machen, bevor sie ganz gezielt in Wohn- und Krankenhäuser von Kiew, Odessa oder Charkiw einschlagen – weit ab der Front?“

Wie Bonhoeffers Frage „Wie wird Frieden?“ uns mitten hinein in die unfriedliche Realität dieser Welt holt, so verweise Bonhoeffer auch darauf, was die Kirchen dieser Welt heute Unverwechselbares zu sagen haben. „Wir werden Gottes Verheißung nicht aufgeben, dass auch in dieser Welt und auf diesem Kontinent wieder Schwerter in Pflugscharen und Panzer zu Mähdreschern verwandelt werden können“, ist sich Henze gewiss. Als Christinnen und Christen könnten wir auf den „Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft“ vertrauen. Doch dieser Friede benötige „unsere Vernunft, unsere Herzen, unser Handeln und unsere Stimmen, um diesen Frieden auszurichten über der rasenden Welt.“

Als „eine kleine Geste mit großer Symbolkraft“ beschrieb Pfarrer André Sühling von der Pfarrgemeinde Liebfrauen-Überwasser Münster den Friedensgruß, den die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher einander weitergaben. Sprecherinnen und Sprecher der Ratsfraktionen der Stadt Münster gestalteten gemeinsam mit Pfarrer Dr. Christoph Nooke von der Evangelischen Apostel-Kirchengemeinde die anschließenden Fürbitten. Weitere Mitwirkende im Gottesdienst waren Sebastian Beimesche (Evangelisch Freikirchliche Gemeinde – Baptisten – Münster), Sabine Komp (Pfarrgemeinde St. Lamberti Münster), Thomas Krüger (Selbständig-Evangelisch-Lutherische Kirche, Münster/ACK Münster), Iva Ognjanovic (Serbisch-orthodoxe Kirche/ACK Münster), Pfarrerin Klara Robbers (Alt-Katholische Gemeinde Münster/ACK Münster) und Pfarrer Georg Friedrich Stahlhut (Evangelische Apostel-Kirchengemeinde Münster/ACK Münster). Musikalisch wurde die ökumenische Friedensvesper gestaltet von Kantor Alexander Toepper an der Orgel und den Lamberti Scholars, ein Nachwuchsprojekt der Pfarrei St. Lamberti.