Münster. „Krieg ist keine ultima ratio. Ratio bedeutet Vernunft und im Krieg setzt die Vernunft aus.“ Mit Aussagen wie diesen bekräftigte die evangelische Theologin Margot Käßmann während ihres Vortrags in der Münsteraner Erlöserkirche immer wieder ihre Haltung als überzeugte Pazifistin und den Standpunkt, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ohne Waffengewalt beendet werden müsse.
Zum Auftakt des Friedenskultur Monats 2022 hatten die Friedensinitiative (FiM), das Evangelische Forum Münster e.V. und der Ausschuss für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Kirchenkreis Münster die ehemalige Bischöfin für einen Redebeitrag mit dem Titel „Nein zum Krieg! Frieden schaffen ohne Waffen?!“ in die Stadt des Westfälischen Friedens eingeladen.
Vehement und mit vielen eloquenten Bezügen zu Martin Luther King, Erich Maria Remarque und natürlich der Bibel, die sie als ein Buch bezeichnete, „das Hoffnungsbilder malt“, veranschaulichte Käßmann, dass mehr Waffen historisch nie zu mehr Frieden geführt hatten und dass die Feindesliebe, das schwerste Gebot sei, dass uns Jesus Christus hinterlassen habe.
Ihr Pazifismus speise sich aus ihrem Glauben und einer von den Schrecken des Zweiten Weltkrieges gezeichneten Familiengeschichte. „Krieg ist etwas Schreckliches und ich muss alles dagegen tun“, verriet die Theologin Gedanken und Ängste aus ihrer Kindheit.
Mit Unverständnis reagierte Käßmann auf den Umstand, dass insbesondere in der digitalen Welt auf pazifistische Meinungen mit Hass reagiert werde. Unverständlich sei für sie auch, dass nicht alles dafür getan werde, den Krieg in der Ukraine durch Verhandlungen zu beenden.
Den Einwand der Naivität ließ Käßmann dabei gegen sich gelten. Das sei etwas, was ihr schon ihr ganzes Leben nachgesagt werde. Dem hielt sie jedoch entgegen, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll und dass sie die Hoffnung nicht aufgeben werde, dass Christen für den Frieden eintreten werden. Mit der Friedensvision „Manchmal wirkt ja auch der Heilige Geist. Vielleicht geschieht ja auch ein Wunder“, verließ sodann die sichtlich bewegte Rednerin die Kanzel in der voll besetzten Erlöserkirche und bekam von den vielen Zuhörerinnen und Zuhörern zustimmenden Applaus.
In einer anschließenden Gesprächsrunde, an der neben Margot Käßmann auch Pia Dilling, Vorsitzende des DGB-Stadtverbands Münster, sowie die Schülersprecherin der hiesigen Marienschule Ida Lewe teilnahmen, wurde insbesondere die Frage vertieft, wie eine ablehnende Haltung gegenüber kriegerischer Waffengewalt zu einem konkreten Handeln werden kann.
Ida Lewe berichtete in diesem Zusammenhang von einem Friedensmarsch, den sie mit anderen Schülersprecherinnen und Schülersprechern im Mai dieses Jahres als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine organisiert und an dem 3300 Schülerinnen und Schüler teilgenommen hatten. Sie betonte dabei, dass es wichtig sei, sich neben den Menschen in der Ukraine auch mit den Russinnen und Russen, die unter dem Kriegsgeschehen leiden, zu solidarisieren. Aufgrund dieser Positionierung habe sie ebenfalls Anfeindungen erlebt.
Pia Dilling argumentierte, dass ein Lösungsansatz darin besteht, die Hassspirale hinter sich zu lassen und stattdessen den demokratischen Rahmen zu stärken. „Demokratie muss wieder erlebbar werden“, so Dilling.
Jens Dechow, Direktor des Comenius-Instituts Münster, der die Veranstaltung moderierte, hielt dieser Forderung einen kontroversen Einwand entgegen. Er verwies auf die Zusammensetzung der Gesprächsrunde und den Umstand, dass alle drei Teilnehmerinnen der gleichen Meinung, nämlich gegen Waffenlieferungen seien. Hätte man hier nicht noch eine abweichende Stimme einladen müssen? „Muss hier nicht Demokratie anfangen?“, erkundigte sich Dechow. An dieser Stelle schaltete sich jedoch Käßmann ein. Sie habe häufig erlebt, dass die Besetzung in vergleichbaren Gesprächsrunden so aussehe, dass drei Personen für Waffenlieferungen seien und nur eine Person dagegen. Auf letztere werde argumentativ „eingedroschen“ und diese komme folglich gar nicht mehr zu Wort. Solche Gespräche, wie die in der Münsteraner Erlöserkirche, „muss es auch geben“, konstatierte die Theologin. Hinsichtlich der Verantwortung der Kirchen der Welt sprach sich die ehemalige Bischöfin dafür aus, dass die russisch-orthodoxe Kirche und deren Oberhaupt Kyrill I. stärker bedrängt werden müsse, der christlichen Friedensvision gewahr zu werden und auf Wladimir Putin Einfluss zu nehmen.
Jens Dechow hob zum Abschluss der Veranstaltung den besonderen Standort Münster als Stadt des Westfälischen Friedens hervor: „Nach dreißig Jahren wurde hier ein Krieg durch Verhandlungen beendet. Diese können manchmal lange dauern, bieten aber eine Perspektive.“ eml