Münster. Etwa 40 Personen folgten der Einladung des Ausschusses für Gemeindeaufbau und Evangelisation zu einem Abend für Presbyter*innen am 22. September in das Restaurant LUX. Nach einem kurzen Interview mit Superintendent Holger Erdmann betonte Prof. Dr. Henning Wrogemann, Leiter des Instituts für Interkulturelle Theologie und Interreligiöse Studien in Wuppertal, in einem Impulsvortrag eine Theologie der Gelassenheit angesichts der herausfordernden Rahmenbedingungen kirchlichen Alltags. Musikalisch wurde der Abend durch Popkantor Hans Werner Scharnowski, Sängerin Miriam Schäfer und Bassist Jan Primke bereichert.
„Wer Gott begegnet, dem ist es abzuspüren“, begrüßte Pfarrer Dr. Christian Plate die Gäste im Namen des Ausschusses für Gemeindeaufbau und Evangelisation. „Nietzsche hat mal gesagt, wir Christen müssten erlöster aussehen. Wo ist dieser Glanz bei uns, in dieser Kirche, bei der Arbeit in unseren Gremien?“ Ganz bewusst findet das Zusammenkommen an diesem Abend außerhalb der vertrauten kirchlichen Räumlichkeiten statt. Einen Perspektivwechsel wünschen sich die Veranstalter, weil dieser der erste Schritt sein kann, Neues zu entdecken oder Altes wiederzuentdecken. Das modern gestaltete LUX mit seinen hohen Fensterfronten, dem Blick auf das Leben der Stadt und seiner einladenden Atmosphäre, ist ein Ort, an dem das leichtfällt: Zu schauen, wo wir gerade stehen, wer uns befähigt Kirche Jesu Christi zu sein, wohin wir wollen und was wir dafür brauchen. Und das auch dann nicht aus dem Blick zu verlieren, wenn die Anforderungen des Systems Kirchengemeinde Kräfte fordern oder sich in Strukturdebatten erschöpfen.
Pfarrer Arndt Menze, wie Plate tätig im 2015 gegründeten Ausschuss für Gemeindeaufbau und Evangelisation, möchte den Presbyter*innen einen Abend in schöner Atmosphäre bieten, wo sie einmal nichts tun müssen und sich versorgen lassen dürfen, als Wertschätzung für ihre ehrenamtliche Arbeit. „Wir nehmen Kirche als im Umbruch wahr,“, erläutert Menze, „wir versprechen uns einen mutmachenden Impuls, der stärken und neu motivieren soll. Einen Impuls dazu, wie wir Freude finden können und gemeinsam überlegen, was unser Auftrag ist, was der Antrieb mitzumachen war und was jetzt daraus geworden ist. Deshalb sind uns die Tischgruppen wichtig, damit es nach den Impulsen die Möglichkeit gibt, sich auszutauschen.“
Doch zuerst möchte Prof. Dr. Henning Wrogemann in einer schnellen Fragerunde, die auf das Thema Kirche im Umbruch einstimmen soll, von Superintendent Holger Erdmann wissen, was das Besondere am Evangelischen Kirchenkreis Münster ist und was ihm an seiner Arbeit Freude bereitet. „Die Mehrpoligkeit von Stadt und Land, diese Vielfalt macht es geografisch aus. Inhaltlich: Jede Gemeinde hat so ihre eigenen Profile“, antwortet Erdmann, „dabei ist es weniger Gegen- als Miteinander: Wir rocken hier Evangelische Kirche im Münsterland! Besonders viel Freude macht es mir, wenn ich sonntags auf der Kanzel stehe. Das habe ich aus dem Gemeindepfarramt rüber gerettet und das möchte ich mir erhalten.“
Im Impulsvortrag wird deutlich: Wrogemann hat sich intensiv mit den Menschen befasst, die Kirche ehrenamtlich leiten. Einerseits sind die Rahmenbedingungen im weltweiten Vergleich trotz fortschreitender Säkularisierung noch gut. Andererseits zeichnet sich deutlich im kirchlichen Alltag ab: Immer mehr Arbeit wird von weniger Menschen bei abnehmenden Ressourcen geleistet. Das Gefühl, alles schaffen zu müssen, erdrückt: „Die permanente Weltrettung führt zur Selbstüberforderung. Wir sollten Klangkörper des Evangeliums sein, aber wir können nicht mehr schwingen, weil es uns die Luft abschnürt.“ Wie also dem begegnen? Wrogemann plädiert für eine Haltung des Loslassens, des Schaffens und Wahrnehmens von Räumen respektvoller Begegnung, um die Kirche von ihrer Sorge um sich selbst zu befreien und damit den Blick für andere zu öffnen, für eine „Kultur der heilsamen Unterbrechung oder auch eine Theologie der Gelassenheit“. Dazu gehören für ihn die Entwicklung einer Kultur der Achtsamkeit, der Wertschätzung, der Neugier und des Lobpreises, eine Kultur des Fragens und des Gelten-lassen-könnens. Der Weg dahin kann über das Gebet in Klage, Dank, Lobpreis, Fürbitte und Bittgebet führen. In ihm vertieft sich die Beziehung zu Gott. In der Klage bspw. lasse sich die Hoffnungsperspektive, die wir aus dem Neuen Testament haben, wiedergewinnen: „Ich würde mir in den Presbyterien eine Kultur der Achtsamkeit wünschen. Atemlosigkeit geht weg, aber wir werden befreit. Die Berechtigung zu sagen, wir nehmen uns Zeit für uns, liegt darin, dass wir dafür da sind, den Glanz Christi widerzuspiegeln (2.Kor 3+4). Der Dank für die Liebe Gottes kann aus der Selbstüberforderung lösen und zu einer Kultur der Wertschätzung führen, wenn Christus im Mittelpunkt steht.“
Wrogemann sucht nach Leuchtfeuern, nach Möglichkeiten, die Kraft des Evangeliums, die Vielfalt der Gaben – die manchmal auch schmerzlich sei -, neu zu entdecken, der Gefahr der Homogenisierung entgegenzutreten und Freude in der Entwicklung neuer Formen der Verherrlichung Gottes zu spüren.
Am Ende dieses gelungenen Abends für Presbyter*innen leuchtete die Freude in besonderer Weise spür- und hörbar auf: Miriam Schäfer sang “My Lighthouse“, mein Leuchtturm. In diesem Werk aus dem neuen geistlichen Liedgut heißt es “In my wrestling and in my doubts / In my failures You won’t walk out / Your great love will lead me through / You are the peace in my troubled sea”. Im wahrsten Sinne des Wortes spiegelten die Anwesenden die Freude am Lob Gottes wieder, als sie in den Refrain einstimmten: “safe to shore”, sicher an Land. Nicole Schulte