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Schlafen im Pferdestall – Erinnerungsfeier an die Vertriebenen-Unterbringung im und Einweihung einer Gedenkstele am Landgestüt Warendorf

Die Gedenkstele am Landgestüt NRW in Warendorf ist ein Kunstwerk des Sendenhorster Künstlers Blasilius Kleinhans. Foto: Cornelius Bury

Warendorf. Am 13. Mai wurde am NRW-Landgestüt Warendorf im Rahmen einer Erinnerungsfeier eine Gedenkstele eingeweiht, die an die Geschichte des Landgestütes Warendorf in der Zeit von April 1945 bis zum Ende des Jahres 1946 erinnert. In diesen Monaten wurden fast 70.000 Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Evakuierte, Flüchtlinge und Heimatvertriebene in den Ställen des Landgestütes untergebracht.

Initiiert hatte die Errichtung eines sichtbaren Gedenk- und Erinnerungsortes Franz Jung, römisch-katholischer Geistlicher, Prälat und Apostolischer Protonotar. Seit 1983 bekleidet er als Letzter das Amt des Großdechanten. Er selbst war 1945 als Neunjähriger mit anderen Vertriebenen im Landgestüt gelandet. Geschlafen hatte er damals in den leeren Pferdeställen auf Stroh in einem Futtertrog. Der inzwischen 85-jährige Zeitzeuge wollte einen Ort am NRW-Landgestüt schaffen, der an diese Zeit erinnert. Nun feierlich eingeweiht, erzählt fortan eine Gedenkstele von der Zeit, in der das Landgestüt als Auffanglager für etwa 5000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene sowie 43.000 Vertriebene aus Ostdeutschland diente. Der Sendenhorster Künstler Blasilius Kleinhans hatte zweieinhalb Jahre an dem bronzenen Kunstwerk, das eine Art Gedenk-Lesepult darstellt, gearbeitet. Das Wort „Erinnerung“ ziert das Pult an der Front, auf der Platte oben berichten gut sichtbar wenige Zeilen: „Von März bis Herbst 1946 dienten die Pferdeställe als Aufnahme- und Durchgangslager für über 43.000 vertriebene Ostdeutsche, vor allem aus Schlesien. Sie trafen mit Zügen zu jeweils 1.500 Personen in Warendorf ein. Frauen, Kinder und ältere Menschen, überwiegend traumatisiert. Unterwegs Verstorbene wurden geborgen. Die Heimatvertriebenen wurden versorgt, registriert und in Notunterkünfte des Münsterlandes zwangseingewiesen, Erkrankte in das Notkrankenhaus St. Hedwig verlegt, oder starben hier. Dank gebührt den damals hilfsbereiten Warendorfern. Im Gedenken an alle hier im Landgestüt untergebrachten Menschen, darunter viele Heimatvertriebene aus der Grafschaft Glatz und dem Kreis Reichenbach in Schlesien. – Großdechant Franz Jung: Zeitzeuge.“

Bei der Einweihungsfeier unterstreicht der Zeitzeuge: „Die Menschen hier im Landgestüt haben uns Gutes getan, und auch Mütter haben damals Wahnsinniges durchgestanden.“ Ehe der Geistliche die Gedenktafel segnete, erinnerte er auch an die Millionen Menschen, die derzeit weltweit als Vertriebene auf der Flucht sind. Der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Warendorf, Cornelius Bury, übernahm das Totengedenken. Auch er stellte das historische Ereignis am Landgestüt in Bezug zur aktuellen Situation weltweit und in den Horizont der Worte Jesu: „Provisorisches Leben in Pferdeboxen so wie heute in Turnhallen in Ostpolen oder bei uns. Frühere Beziehungen waren vielfach zerbrochen, Väter im Krieg gefallen. Wie lange diese Erfahrungen nachwirken, sodass wir uns heute, 77 Jahre danach, so stark daran erinnern, kann uns helfen, uns in Kriegsbetroffene weltweit hineinzuversetzen. Christus spricht: Ich bin fremd gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“

Die Erinnerungstafel war federführend von der Stadt Warendorf unter inhaltlicher Mitwirkung des Historikers Prof. Dr. Paul Leidinger geschaffen worden. Bürgermeister Peter Horstmann und Horst Breuer, der Sachgebietsleiter für Kultur, wohnten der feierlichen Einweihung ebenfalls bei. Zur Realisierung des Gedenkortes hatten Barbara und Harald Dierig aus dem Heimatbund Kreis Reichenbach, der Patengemeinde Warendorfs, erheblich beigetragen. Die Gedenkstele entstand auf Initiative des Grafschaft Glatz e.V., zuvorderst durch den Zeitzeugen und heutigen Großdechanten der Grafschaft Glatz, Franz Jung. Förderer des Gedenkortes sind die Grafschaft Glatz e.V. Münster, die Darlehnskasse im Bistum Münster, der Heimatbund Hirschberg, der Heimatbund Kreis Reichenbach/Schlesien, der Heimatverein Warendorf, das Heimatwerk Grafschaft Glatz, das Heimatwerk Schlesischer Katholiken, die Kulturstiftung der Sparkasse, die NRW-Stiftung, die Stadt Warendorf sowie zahlreiche private Spender:innen.