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Dem Formlosen eine Form geben

André Ost, Superintendent des Kirchenkreises Tecklenburg, Pastor Maximilian Bode, Pastor Christopher Schlicht, Susanne Falcke, Superintendentin des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, und Holger Erdmann, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Münster. Foto: Evang. Kirchenkreis Münster

Die „Kirchenrebellen“ waren zu Gast bei den Pfarrer:innen der Evangelischen Kirchenkreise Münster, Steinfurt-Coesfeld-Borken und Tecklenburg

Münster/Steinfurt-Coesfeld-Borken/Tecklenburg. Die Pastoren Christopher Schlicht und Maximilian Bode gestalten in Bremerhaven Kirche auf unkonventionelle Art. Ihr Buch „Kirchenrebellen. Wir bringen Leben in die Bude“ („Bene!“-Verlag, 2021) begeistert und inspiriert tausende Menschen. Im Rahmen einer gemeinsamen Pfarrkonferenz berichteten die beiden am 11. Mai den Pfarrer:innen der Evangelischen Kirchenkreise Münster, Steinfurt-Coesfeld-Borken und Tecklenburg, wie es ihnen gelungen ist, evangelische Kirche vor Ort zukunftsfähig zu gestalten.

Mit Skateboards rollen sie in den Kirchraum und im Gottesdienst tragen Pastor Chris und Pastor Max keinen Talar, sondern Jeansjacke oder Flanellhemd. Als Erkennungszeichen dient allein der Kollar, der Priesterkragen. Ihr Motto: Als Pastor bloß nicht zu heilig daherkommen. Ihre Kirche in Bremerhaven haben die jungen Pastoren, die mit je einer halben Stelle gemeinsam ein Teampfarramt bilden, zur „Zuhausekirche“ gestaltet: Sie wollen den Menschen nah sein, mitten im sozial schwachen Milieu eine Kirche schaffen, die sich wie zuhause anfühlt, und dabei Menschen für die Botschaft Gottes begeistern – verständlich und auf der Höhe der Zeit. „Wir versuchen, dem Formlosen eine Form zu geben“, berichtet Pastor Chris den etwa 60 Pfarrer:innen aus dem Münsterland, die zur Pfarrkonferenz nach Münster-Kinderhaus gekommen waren. Erfolgreich und ansprechend ist die Form, die Pastor Chris und Pastor Max für die heutzutage häufig formlos erscheinende christliche Botschaft gefunden haben: „Zuhausekirche“ nennen sie ihr innovatives Gottesdienstformat. Statt sonntags um 10:00 Uhr, trifft man sich um 17:00 Uhr, statt Orgel erklingt Popmusik einer Live-Band, statt auf hölzerner Kirchenbank sitzt man auf bequemen Sofas; es gibt freie Getränke für alle, und wer nicht kommen kann, erlebt den Gottesdienst im Live-Stream. Dabei lautet die Botschaft an die Menschen: „Sei wie du bist und du bist willkommen.“

In ihrem Vortrag vor den Pfarrer:innen aus den drei Kirchenkreisen erzählen Pastor Chris und Pastor Max, wie das Konzept der „Zuhausekirche“ entstanden ist und welche Herausforderungen dabei zu meistern waren. Sie wollen kein Erfolgskonzept präsentieren, das nur kopiert werden muss. Vielmehr ermutigen sie die Pfarrer:innen im Raum, je individuell, mit der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Stärken, Kirche innovativ zu gestalten. An oberster Stelle stehe die Authentizität. „Präsenz statt Repräsentation“ könne nur gelingen, so Pastor Chris, wenn Pfarrer:innen das machen, „worauf wir Bock haben.“ Fast genauso wichtig sei der Mut, die gewohnten Pfade zu verlassen. „Einfach mal machen!“, betont Pastor Max mehrmals. Dafür brauche es ein klares Profil und Standfestigkeit. Man müsse in Kauf nehmen, dass mit der Priorität auf einem innovativen Projekt möglicherweise die Kapazitäten nicht ausreichen, um alle bisherigen Aufgaben weiterhin zu verfolgen. Hier sei es wichtig, Tätigkeiten seinlassen und abgeben zu können. „Es werden Dinge schiefgehen“, berichten die beiden aus eigener Erfahrung. Aber Scheitern sei Teil eines Veränderungsprozesses. Wer dies einplant, werde damit umgehen können. Wer mit der Botschaft Gottes begeistern will, brauche außerdem Mitgefühl. In Röm 12,15 heißt es: „Freut euch mit den Fröhlichen. Weint mit den Weinenden.“ Nur wer den Menschen dort begegnet, wo diese sich bewegen, kann sie erreichen. Die Botschaft der jungen Pastoren: Um Kirche zukunftsfähig zu machen und zukünftig zu gestalten, braucht es Pfarrer:innen, die sich mutig und mitfühlend auf die Lebensrealitäten der Menschen in der heutigen Zeit einlassen und sich auch als Pfarrperson auf Augenhöhe in der Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts bewegen. Dabei betonen Pastor Chris und Pastor Max: „Wir verstehen uns als Mithelfer der Mitarbeiter:innen Gottes“. Bei allem Engagement für eine Veränderung der Kirche gehe es niemals um die Darstellung der eigenen Person als Pastor:in, sondern um die Botschaft Gottes. Der eigene Glaube und die tiefe Überzeugung von der unendlichen Größe der göttlichen Liebe, die allen Menschen gilt, steht für Pastor Chris und Pastor Max an erster Stelle.

Dass die evangelische Kirche in den nächsten Jahren vor großen Veränderungen steht, ist den anwesenden Superintendenten bewusst. Holger Erdmann, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Münster, Susanne Falcke, Superintendentin des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, und André Ost, Superintendent des Kirchenkreises Tecklenburg, sind sich einig: „Wer bleibt wie er ist, steht in Gefahr, aufzuhören, etwas zu werden.“ In diesem Sinne brauche die evangelische Kirche heute und in den kommenden Jahren Menschen, die sich mit Experimentierfreude, Frische und Leichtigkeit für die Botschaft Gottes engagieren. An diesem Vormittag haben Pastor Chris und Pastor Max kurzweilig und amüsant berichtet, wie Kirche fernab von Konvention und Tradition aussehen und gelingen kann. – Frei nach dem Motto: „Einfach mal machen!“